Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

Schriftliche Anfrage

Widerstand gegen Neonazis in der Fanszene des TSV 1860 München

13. Mai 2015 in Aktuelles, Anträge und Anfragen, Im Parlament |

Seit einigen Jahren ist bekannt, dass eine Gruppe von mehreren Dutzend, zum Teil polizeibekannten, Neonazis die Spiele des TSV 1860 München besucht, sowohl in der Allianz Arena als auch vereinzelt im Grünwalder Stadion. Ein Zusammenstoß von rechtsextremen und antifaschistischen Gruppen im Juli 2013 bewertet die Regierung als linksextrem – in dieser Schriftlichen Anfrage (pdf) räumt das Innenministerium ein, dass die beteiligten Linken im Unterschied zu zwei bekannten Rechtsextremen nicht bekannt sind.

Löwenfans gegen Rechts

Die Präsenz von Neonazis und rechtsextremen Hooligans wird in der Sechzig-Fanszene nicht widerspruchslos hingenommen. Die Initiative „Löwenfans gegen rechts“ (LFGR) engagiert sich seit vielen Jahren für eine offene, tolerante, antirassistische und demokratische Fanszene und wurde bereits 2009 für ihr vorbildliches Engagement mit dem Julius-Hirsch-Preis des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ausgezeichnet.

Widerstand gegen Rechts = linksextrem?

Der Widerstand gegen die Unterwanderungsversuche der Neonazis bei den Sechzger-Fans hat sich insbesondere am 24. Juli 2013 beim Spiel zwischen TSV 1860 München II und FV Illertissen gezeigt. Drei Mitglieder der rechten Szene Münchens wurden von den Fans in der Stehhalle auf der Gegengeraden identifiziert und recht unsanft aus dem Stadion hinauskomplimentiert. Der überwiegende Teil der Fanszene bezog mit “Nazis raus”- und “Wir sind Löwen – und ihr nicht!”-Rufen lautstark Stellung. Dabei kam es auch zu einem Handgemenge. In Presseberichten war anschließend von einem „spektakulären Erfolg (…) gegen die Nazis im Fanvolk“ die Rede.

Überraschend ist hierbei, dass der Vorfall im Grünwalder Stadion vom Juli 2013 von der Staatsregierung unter der Rubrik „Linksextremismus“ geführt wird, während in der Beschreibung des Vorfalls die Teilnahme von bekannten Neonazis – darunter der Münchner Neonaziaktivist Sven G. – als „rechte“ Fans (ausdrücklich in Anführungszeichen) meiner Meinung nach verharmlost werden.

Auf eine Anfrage von mir hat das Innenministerium zu den Zusammenstößen zwischen rechtsextremen und antirassistischen Gruppen am 17. Dezember 2014 folgendes geantwortet: „Das BayLfV beobachtet mögliche Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremisten und linksgerichteten Fangruppen sowie antirassistischen Ultras sehr aufmerksam. (…) Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremisten und linksgerichteten Gruppierungen in Bayern weisen nach jetziger Erkenntnislage keine Bezüge zum Fußball auf.“

Was ist passiert und wer war am Handgemenge beteiligt?

Dieser Vorfall wird offensichtlich von den Medien anders bewertet als vom bayerischen Innenministerium. Daher wollte ich mehr Informationen erhalten und habe bei der Staatsregierung nachgefragt, was sie über diesen Vorfall weiß.

In der Antwort des Innenministeriums wird deutlich, dass es im Vorfeld keine Erkenntnisse über BesucherInnen des Spiels mit rechtem Hintergrund gab, das Spiel wurde nicht als Risiko-Spiel eingestuft. Nachdem sich viele Fans mit Sprechchören („Nazis raus“) gegen die als rechtsextrem erkannten Fans richteten, kam es zu einem Handgemenge. Hierbei kamen zwei Personen aus dem rechten Spektrum zu Schaden. Beteiligt waren drei bis fünf Personen aus dem rechten Spektrum und ein bekannter Rechtsextremist, Sven G., sowie circa 20 Personen, die das Innenministerium als „Gegnergruppe“ bezeichnet.

Im Anschluss wurde ein Mitarbeiter des Fanprojekts und die beiden Personen aus dem rechten Spektrum zur Vernehmung vorgeladen – dem kamen sie aber nicht nach. Es wurden zwei Verfahren gegen Unbekannt wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet, die aber mittlerweile eingestellt wurden.

Warum wurde dieser Vorfall als linksextrem eingestuft?

Auf der Website „Bayern gegen Linksextremismus“, einem Portal des Innenministeriums, ist bei der Schilderung des Vorfalls lediglich von „rechten“ Fans (ausdrücklich in Anführungszeichen) die Rede. Warum eigentlich? Das Ministerium begründet das so: Nur weil ein Rechtsextremist dabei war, reicht das noch nicht aus, um einen Personenkreis als rechtsextremistisch einzustufen. In solchen Fällen nutzen die Sicherheitsbehörden Bezeichnungen wie „rechte Szene“.

Bei den circa 20 Personen, die sich im Stadion gegen die Rechten zur Wehr setzten, weiß die Regierung nichts über mögliche Verbindungen in die linksextreme Szene. Als linksextrem wurde der Vorfall eingestuft, weil die Aggression von Personen ausging, die nach Einschätzung der zuständigen Polizei als links orientiert einzustufen sind. Der bayerische Verfassungsschutz hat die Tat als extremistisch eingestuft.

Einerseits kategorisiert die Regierung diesen Vorfall als linksextrem, beispielsweise auf der oben genannten Homepage. Andererseits schrieb mir das Innenministerium erst im Dezember, dass Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremisten und linksgerichteten Gruppierungen in Bayern nach jetzigem Stand nichts mit Fußball zu tun haben. Wie passt das zusammen? Die Regierung sieht darin keinen Widerspruch.


Alle weiteren Details können Sie der Schriftlichen Anfrage (pdf) entnehmen.

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