Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

Polizeiaufgabengesetz

Grüne klagen für Freiheit und Bürgerrechte

28. März 2018 in Anträge und Anfragen, Im Parlament |

Heute habe ich Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen das Gesetz „zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen“ eingereicht. Damit hat die CSU-Regierung im vergangenen Jahr den Tätigkeitsbereich der Polizei groß ausgeweitet. Wir halten die Verschärfungen für verfassungswidrig. Deshalb haben wir im Landtag als Einzige dagegen gestimmt und klagen nun für unsere Freiheit und Bürgerrechte.

Wir als Grüne haben als einzige Fraktion gegen das Gesetz gestimmt. Die Eingriffsbefugnisse der Polizei beschränken sich nicht auf die Abwehr terroristischer Bedrohungen, sondern greifen in die Freiheit und Bürgerrechte der gesamten Bevölkerung ein. Mit dem unscharfen Begriff der „drohenden Gefahr“ wird eine Ausweitung der polizeilichen Handlungsbefugnisse in das sogenannte Gefahrenvorfeld vorgenommen. Das führt zu einer Vernachrichtendienstlichung der Polizei, die wir ablehnen. Dazu kommt noch der potentiell zeitlich unbegrenzte polizeiliche Präventivgewahrsam. Diese Verschärfungen verstoßen deshalb klar gegen unsere bayerische Verfassung. Hier unsere Klage zum Nachlesen (PDF).

Prozessvertreter Prof. Dr. Dr. Ino Augsberg und Katharina Schulze klagen für die Grünen

Um was geht es bei der 1. Novelle des Polizeiaufgabngesetzes?

Mit dem Gesetz wurde das Polizeiaufgabengesetz (PAG), das Bayerische Datenschutzgesetz (BayDSG) und das Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) geändert. Anders als oft beschrieben, wurde kein eigenes „Gefährdergesetz“ geschaffen, sondern die allgemeinen, für alle Bürgerinnen und Bürger geltenden Rechtsvorschriften durch die Neuregelung verschärft. Das Gesetz beschränkt die neuen Eingriffsbefugnisse nicht auf die Abwehr terroristischer Bedrohungen, sondern erfasst mit großer Streubreite die gesamte Bevölkerung.  Mit diesem Gesetz werden vor allem drei gravierende Änderungen in die Bayerische Sicherheitsarchitektur eingeführt:

1) Schaffung des Gefahrenbegriffs „drohende Gefahr“

Der Begriff der „drohenden Gefahr“ wird als neue Grundkategorie in das PAG eingeführt. Bislang konnte die Polizei erst dann tätig werden, wenn eine konkrete Gefahr die Gefahrenabwehr erforderlich gemacht hat. Nun wird der Tätigkeitsbereich der Polizei weit ins Gefahrenvorfeld vorverlagert. Es geht um Situationen, in der eine konkrete Gefahr gerade noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bestimmbar ist, aber aufgrund gewisser Umstände bereits zu befürchten ist, dass sich eine solche Gefahr in naher Zukunft entwickeln könnte. Der Begriff ist unscharf und wird die zuständigen Polizeieinsatzkräfte und Gerichte vor enorme Anwendungsprobleme stellen.

 » Die polizeilichen Befugnisse werden ins Gefahrenvorfeld verschoben, eine problematische Vernachrichtendienstlichung der Polizei ist die Folge.

2) Elektronische Fußfessel im Bereich der präventiven Polizeiarbeit

Der neu geschaffene Art. 32a Abs. 1 S. 1 PAG sieht die Einführung einer elektronischen Fußfessel zur Gefahrenabwehr vor und dient hier vorwiegend der Abschreckung. Diese elektronische Fußfessel ist zur Erreichung der von der CSU-Regierung genannten Ziele aber größtenteils ungeeignet, da ein zu allem entschlossener Täter sich durch diese Aufenthaltsüberwachung nicht abschrecken lassen wird. Insbesondere bei Selbstmordattentaten entfaltet sie keinerlei Wirkung.

 » Es handelt sich hier um ein bloßes Sicherheitsplacebo.

3) Einführung der Möglichkeit einer „Unendlichkeitshaft“

Bislang war der polizeiliche Gewahrsam auf eine Dauer von maximal zwei Wochen begrenzt. Bereits diese Zeitspanne war sehr weitreichend, wenn man sich vergegenwärtigt, dass dem Betroffenen keine Straftat vorgeworfen wird (wie z.B. bei der Untersuchungshaft) oder gar ein Strafurteil gegen ihn ergangen ist. Die Neuregelung des Art. 20 S. 1 Nr. 3 PAG sieht nunmehr eine maximale Dauer von drei Monaten für die erste Anordnung vor, diese kann um jeweils wiederum bis zu drei Monaten verlängert werden. Die Präventivhaft hat keine absolute zeitliche Obergrenze, kann also unendlich verlängert werden.

 » Ein Gesetz, dass eine Art Guantanamo in Bayern ermöglicht, darf es nicht geben.

Warum ist das Gesetz verfassungswidrig?

Die Einführung des Begriffs der „drohenden Gefahr“ verstößt gegen das in Art. 3 Abs. 1 Bayerische Verfassung (BV) niedergelegte Bestimmtheitsgebot sowie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Auch die Einführung der elektronischen Fußfessel im präventivpolizeilichen Bereich verstößt gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Möglichkeit der „Unendlichkeitshaft“ verstößt im Hinblick auf den hohen Rang des Freiheitsgrundrechts offenkundig und in schwerwiegendem Maße gegen unsere Verfassung. Insgesamt besteht durch das Gesetz die Gefahr, dass in erster Linie in die Freiheitsrechte der Normalbürger eingegriffen wird und die Maßnahmen weit über das Ziel hinausschießen.

Was fordern wir Grüne?

  • Keine Vernachrichtendienstlichung der Polizei
  • Die Bayerischen Sicherheitsbehörden müssen personell und ressourcenmäßig endlich so gut ausgestattet werden, dass sie bestehende Instrumente (Stichwort Observation der Gefährder) anwenden können
  • Keine bloßen Sicherheitsplacebos, wie der elektronischen Fußfessel und dem Präventivgewahrsam, ohne absolute zeitliche Obergrenze
  • Die Freiheitsrechte aller Bürgerinnen und Bürger dürfen durch den massiven Ausbau polizeilicher Befugnisse nicht ausgehöhlt werden

Wie lief das Gesetzgebungsverfahren?

04.04.17: Die CSU-Regierung bringt den Entwurf für ein „Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen“ in den Bayerischen Landtag ein

17.05.17: Wir Grüne stoßen eine Expertenanhörung im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport an, die dem Gesetzentwurf ein vernichtendes Urteil ausstellt.

24.07.17: Der Bayerische Landtag beschließt mit den Stimmen der CSU-Fraktion und bei Enthaltung von FW und SPD das „Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen“. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmt als einzige gegen das Gesetz.

01.08.17: Das Gesetz tritt in Kraft.


Weitere Informationen zum Gefährdergesetz finden Sie hier.

Die CSU hat schon eine zweite Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes in den parlamentarischen Betrieb gebracht. Dort sollen die Eingriffsbefugnisse der Polizei noch mehr ausgeweitet werden. Mehr Infos finden Sie an dieser Stelle.