Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

Polizei

Verkörpert die CSU in Bayern bald Orwells Schreckensszenario?

23. März 2018 in Im Parlament |

George Orwell beschreibt in seinem Buch „1984“ einen totalitären Überwachungsstaat. Momentan geht es um im Bayerischen Landtag um das Polizeiaufgabengesetz, das von der CSU eingebracht wurde. Dieses soll die Befugnisse der Polizei erheblich erweitern und birgt die Gefahr, dem Schreckensszenario dieses Beststellers erneut einen Schritt näher zukommen. 

Diese Woche fand im Landtag eine Expertenanhörung zur Neuordnung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes und zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes statt. Ich habe an den geplanten Änderungen erhebliche Zweifel, denn der Überwachungswahn der CSU-Regierung gefährdet zunehmend die verfassungsrechtlich garantierten Freiheitsrechte der BürgerInnen. Die massive Ausdehnung der Polizeibefugnisse ins Gefahrenvorfeld geht uns Grünen viel zu weit.

Bayerische Polizei als Nachrichtendienst?!

Die geplante Änderung des Polizeiaufgabengesetzes bringt weitgehende Änderungen mit sich: Der Begriff der drohenden Gefahr, also Eingriffsbefugnisse im Gefahrenvorfeld, wird nicht mehr nur im Bereich der terroristischen Bedrohung angewandt. Er dehnt sich nun nahezu auf alle Bereiche der Polizeiarbeit aus. Wir sagen: Das ist verfassungswidrig. Auch der Experte Prof. Löffelmann äußerte sich kritisch, sprach sogar davon, dass dies zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen „Total- oder Rundumüberwachung“ führen könnte. Laut Sachverständigem Hartmut Wächtler hat keine deutsche Behörde seit 1945 derart umfassende Eingriffs- und Kontrollbefugnisse in die Lebensweise und Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger besessen, wie sie die Bayerische Polizei nun haben soll.

Zum Hintergrund: Polizei und Nachrichtendienste müssen laut Verfassung streng getrennt arbeiten („Trennungsgebot“). Diese Grundregel wird mit den neuen Sicherheitsgesetzen weiter aufgeweicht.

Denn die Polizei soll zukünftig mit DNA-Analysen Geschlecht, Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie biologisches Alters bestimmen können. Der ehemalige Richter Prof. Dr. Kurt Graulich sieht das in Gegensatz zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das gewährleistet, das jedeR selbst über die Offenbarung persönlicher Lebenssachverhalte entscheiden kann. Kritisiert wurde darüber hinaus, dass die Polizei zur Gefahrenabwehr künftig Sprengmittel wie z.B. Handgranaten oder Maschinengewehre einsetzen darf oder Body-Cams innerhalb privater Wohnungen.

Einige neue Polizeibefugnisse sind technisch auch noch lange nicht ausgereift und werfen verfassungsrechtliche Probleme auf: Der Einsatz von automatisierter Verhaltens- und Gesichtserkennung bei Videoüberwachung liefert kaum verwertbare Ergebnisse, greift aber tief in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Auch der Einsatz von Drohnen ist zu schwammig geregelt – es bleibt unklar, zu welchem Zweck und in welcher Art und Weise diese eingesetzt werden sollen.

CSU-Sicherheitsgesetze sind verfassungswidrig

Die beiden Gesetzesentwürfe bringen schwerwiegende Änderungen mit sich, die wir Grüne für verfassungswidrig halten. Gerade bei einem so weitgehenden Gesetz, durch das viele Grundrechte der BürgerInnen berührt werden, darf es kein Hau-Ruck-Verfahren geben – dies wird der Bedeutung und den Konsequenzen dieser Gesetzesänderung einfach nicht gerecht. Diese Kritik kam von vielen ExpertInnen. Wenn für Juraprofessoren wie Prof. Lindner mit 30-jähriger Expertise das hochkomplexe Gesetz schwierig zu durchdringen ist, wird es in der Praxis im polizeilichen Alltag – gerade in Stresssituationen – auch gravierende Probleme bei der Anwendung geben. Ein weiterer Grund, skeptisch zu sein.

Die CSU-Staatsregierung hat mit den vorgelegten Gesetzentwürfen bewiesen, dass ihr der verfassungsrechtliche Kompass abhandengekommen ist. „Wer hier an George Orwell denkt, liegt nicht falsch“, so äußert sich Rechtsanwalt Hartmut Wächtler. Wir können uns seinen Worten nur anschließen.

Die Gesetzentwürfe müssen in der parlamentarischen Beratung nachgebessert werden, ansonsten bleibt nur der Gang vor das Verfassungsgericht, um die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger vor einem drohenden Überwachungsstaat zu schützen. Ich kann Ihnen versichern, wir werden weiter dran bleiben!


Weitere Informationen hier:

Pressemitteilung vom 20.3.2018: https://katharina-schulze.de/ueberwachungswahn-der-csu-gefaehrdet-freiheitsrechte/

Pressemitteilung vom 7.2.2018: https://katharina-schulze.de/polizeiaufgabengesetz-csu-regierung-im-ueberwachungsrausch/

Rede zur 1. Lesung im Plenum am 7.2.2018: https://katharina-schulze.de/csu-regierung-im-ueberwachungsrausch-polizeiaufgabengesetz/