Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

Söder’s Missmanagement

Was unsere Gesundheitsämter jetzt endlich brauchen

22. Februar 2021 in Anträge und Anfragen, Im Parlament |

Als wissenschaftsbasierte Partei unterstützen wir Grüne sinnvolle Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und damit den Schutz von Menschenleben. Gleichzeitig legen wir seit Anfang der Pandemie erfolgreich unzählige Vorschläge vor, wie wir unser Leben in der Pandemie solidarisch gestalten können. Außerdem mahnen wir seit Beginn Versäumnisse der Regierung konstant an. Die Regierung von Markus Söder zeigt leider erschreckende Managementfehler bei den Basics der Pandemiebekämpfung – und dass, obwohl wir bereits ein Jahr mit der Pandemie leben müssen.

Missmanagement am Beispiel Gesundheitsämter

Am Beispiel der Gesundheitsämter möchte ich das Missmanagement der Söder-Regierung einmal auflisten: Es gibt 76 Gesundheitsämter in Bayern. Seit Ausbruch der Pandemie stehen sie mit an vorderster Front bei der Bekämpfung von Corona.

Seit Jahrzehnten wurde der Öffentliche Gesundheitsdienst von der Bayerischen Staatsregierung ausgeblutet. – Katharina Schulze

Dementsprechend dünn besetzt und schlecht technisch ausgestattet sind diese wichtigen Ämter, die Mitarbeiter*innen und Mitarbeiter arbeiten unter Dauerstress. Das alles weiß die Söder-Regierung, wir Grüne haben ihnen das oft genug gesagt und konkrete Vorschläge zur Verbesserung vorgelegt.

Mangelnde personelle Ausstattung

Ich habe bereits im April 2020 die erste Anfrage (PDF) an die Bayerische Staatsregierung zur personellen Ausstattung der Gesundheitsämter gestellt – nach fünf (!) Monaten kam endlich die Antwort und sie hatte es in sich: In jedem 5. Gesundheitsamt fehlte im Frühjahr 2020 eine Leitungsperson!

Interessant ist dabei, dass laut Auflistung 7 Stellen im März bzw. April 2020 – also mitten in der Pandemie – aufgegeben wurden. Auch bei den Amtsärzt*innen gab es eine massive Personallücke, 33 Stellen waren unbesetzt. In Schwaben fehlten z. B. 16% und in Oberbayern 12% an Stellenbesetzungen. Bei den Stellen für das nicht-ärztliche Fachpersonal gab es erst gar keine Auflistung, wie viele Personen dort in den Gesundheitsämtern fehlen.

Die Bayerische Staatsregierung hat es verpasst, den Gesundheitsämtern schnell und finanzstark unter die Arme zu greifen, damit sie zügig mehr Personal bekommen. – Katharina Schulze

Meine nachfolgende Anfrage (PDF) für die aktuellen Zahlen ist gerade im Verfahren, mal sehen wie lange dieses Mal die Antwort dazu dauert.

Fehlende Software-Ausstattung

Auf meine Anfrage (PDF) zur Software-Ausstattung der Gesundheitsämter kam im Juli 2020 zurück: Bayerns Gesundheitsämter nutzen unterschiedliche Programme, um Corona-Infizierte und ihre Kontaktpersonen zu verwalten.

Zur Pandemiebekämpfung wurden am Anfang der Pandemie Zettelwirtschaft und Excel-Tabellen benutzt, obwohl es gute Software für die Fallverwaltung gibt. Das Gesundheitsministerium kündigte daraufhin an, eine einheitliche Fallsoftware ausrollen zu wollen – das gipfelte im Sommer 2020 in der BaySIM Software, die dann nicht alle Gesundheitsämter installierten, da sie nicht auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten waren.

Zu der Zeit gab es schon lange eine sinnvolle Software-Alternative: SORMAS, u.a. vom Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI) entwickelt und seit 2016 bei verschiedenen Pandemieausbrüchen weltweit im Einsatz. Und in Bayern? Im November 2020 hat genau ein bayerisches Gesundheitsamt SORMAS verwendet, fünf haben die Software eingerichtet, bei 69 ist es nicht möglich, wie eine grüne Anfrage (PDF) zeigt.

Das Setzen auf den Sonderweg BaySIM war also verlorene Zeit. Im Dezember 2020 hat Markus Söder die Order vorgegeben: Bis Ende Januar 2021 müssen alle Gesundheitsämter SORMAS benutzen. Jetzt ist Februar 2021 und von den 76 Gesundheitsämtern haben erst 59 die Software installiert.

Die Betonung liegt auf installiert – wie eine weitere Anfrage (PDF) von mir zeigt, benutzen die Gesundheitsämter weiterhin mehrere Tools, weil die entscheidende Weiterentwicklung der Software noch nicht bereit steht.

Ich halte also fest: Wir haben das Jahr 2021 und die Digitalisierung der Gesundheitsämter steckt bei uns buchstäblich in den Kinderschuhen. – Katharina Schulze

Ausbauinitiative bei den Gesundheitsämtern jetzt!

Für uns Grüne ist seit Anfang der Pandemie klar – und ich habe das in unzähligen Interviews, Statements und im Landtag regelmäßig nach vorne gestellt – die Attraktivität der Arbeitsbedingungen in den Gesundheitsämtern muss nachhaltig gestärkt werden. Dazu gehört mehr Personal, eine bessere Bezahlung und auch die passende technische Infrastruktur.

Wir brauchen eine massive Ausbauinitiative bei den Gesundheitsämter, damit jedes Gesundheitsamt die Kontakte einer jeden Neuinfektion schneller und konsequent nachvollziehen kann. – Katharina Schulze

Geschwindigkeit ist der Schlüssel bei der Eindämmung des Virus. Neben der konsequenten Nutzung der personellen Reserven muss auch eine Anwerbeoffensive, für z. B. Studierende oder Personal aus Call-Centern gestartet werden. Es gibt genug  Menschen, die einen Job suchen und als Contact-Tracer*in arbeiten würden.

Natürlich ist bei diesen Tätigkeiten viel aus dem Home Office heraus möglich, aber dort, wo es nicht anders möglich ist plädiere ich dafür, leer stehende Hallen und Veranstaltungsorte anzumieten, Diensthandys und Laptops bereitzustellen und los geht’s! Damit die Einstellung und Einarbeitung schneller geht, kann man Trainingspools bilden und digital ausbilden. Damit und mit einem guten Gesprächsleitfaden können die zusätzlichen Kräfte schnell starten.

Darüber hinaus muss die Technik inklusive Schnittstellen endlich stehen. Bei Bedarf der Gesundheitsämter muss externe IT-Unterstützung für die IT-Umstellung vor Ort bereit gestellt werden – denn unter Volllast die Technik zu ändern ist hochkomplex. Das und noch viel mehr fordern wir Grüne in unserem neuesten Antrag (PDF).

Ansteckungsorte identifizieren

Die Gesundheitsämter sind das Rückgrat der Pandemiebekämpfung. Wenn sie effizient aufgestellt und ausgestattet wären, würden wir hoffentlich endlich mal genauer wissen, WO sich die Menschen anstecken. Daraufhin könnten die Corona-Maßnahmen zielgerichteter werden und in anderen Bereichen Lockerungen möglich sein.

Die Söder-Regierung weiß bei 83%  der Fälle nicht, wo sich die Menschen anstecken, wie meine Anfrage (PDF) zeigt. Das ist – fast ein Jahr in der Pandemie – mangelhaft und zeigt erneut das Managementversagen dieser Regierung.

Darüber sind Gesundheitsämter oft der erste Ansprechpartner für die Bürger*innen bei einer Infektion und vertreten somit auch den Staat. Corona ist eine gefährliche Krankheit und wenn ich positiv getestet bin, brauche ich sofort Unterstützung und möchte wissen, wie es jetzt weitergeht.

Wenn ich dann gar nicht oder viel zu spät kontaktiert werde oder mehrfach vom gleichem Gesundheitsamt, schadet es dem Vertrauen in einen leistungsfähigen Staat und setzt natürlich auch Ängste frei.

Schleswig-Holstein hat z. B. eine Datenbank zur digitalen Vernetzung von Gesundheitsämtern und niedergelassenen Ärzt*innen. Damit kann die Versorgung von coronainfizierten Menschen in häuslicher Isolation, die einer Risikogruppe angehören, durch ambulantes Monitoring verbessert werden, und somit die Überlastung der Kliniken in Bayern durch viele schwer Erkrankte vorgebeugt werden. Warum haben wir so etwas in Bayern nicht?

Nicht kleckern, sondern klotzen!

Bei dem wichtigen Thema Gesundheitsämter darf nicht gekleckert, hier muss geklotzt werden. Der Staat gibt für so vieles so viel Geld aus und hier geht kaum was voran. – Katharina Schulze

Ich halte das für einen fatalen Fehler – und verstehe nicht, warum die Bayerische Staatsregierung da so zögerlich ist. Warum nicht einfach mal machen?

Eine bessere Ausstattung unserer Gesundheitsämter ist übrigens nicht nur in der momentanen Situation hilfreich. Unsere Gesundheitsämter haben noch viele andere wichtige Aufgaben, wie Schuleingangsuntersuchungen, Gesundheitsprävention, Krankenhaushygiene oder etwa die Vermittlung von medizinischen Hilfsangeboten. Dazu kommen sie jedoch im Moment gar nicht. Auch das ist ein Problem.

Jede neue Kraft, jede Investition in Digitalisierung jetzt, ist ein Schritt für schlagkräftige Gesundheitsämter, die unsere Gesellschaft mit ihrer wichtigen Arbeit auch in Zukunft stärken.

Quellen zum Weiterlesen:

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