Schriftliche Anfrage
Ausrichtung des „Gedenktages für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation“
Im August 2013 unterzeichneten die Ministerpräsidenten Horst Seehofer und Volker Bouffier die Proklamation zur Einführung eines „Gedenktages für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation“. Er soll erstmalig am 14.09.2014 stattfinden – Kollege Sepp Dürr und ich fragten nach, was inhaltlich und organisatorisch geplant ist.
Offizielle Feierlichkeiten
Konkret zielte unsere Anfrage darauf ab, welche offiziellen Feierlichkeiten geplant sind, wie inhaltliche Schwerpunkte gesetzt werden, und ob es beispielsweise im Schul-und Bildungsbereich begleitende Projekte gibt. Ministerin Müller antwortete, dass eine Feierstunde mit Kranzniederlegung in der Staatskanzlei geplant sei, in dem alle Fraktionen im Bayerischen Landtag eingebunden sind. Zur inhaltlichen Schwerpunktsetzung zitiere ich aus der Antwort:
„Dieser Gedenktag ist ein Beitrag zum demokratischen Bewusstsein in unserem Land und dient dem Auftrag der Völkerverständigung in Europa. Er relativiert nicht das Gedenken an andere Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Zweiten Weltkrieges. Er ist vielmehr ein Tag der Erinnerung und der Mahnung zur Wahrung der Menschenrechte, für Frieden und Freiheit. Vertreibung und Deportation sollen im Sinn der Charta der deutschen Hei- matvertriebenen als Mittel der Politik geächtet bleiben. Der „Bayerische Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation“ würdigt zugleich die gelungene In- tegration und die Aufbauleistung der Heimatvertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler in Bayern.“ – Staatsministerin Emilia Müller
Zu den Projekten, die den Gedenktag begleiten sollen, gehörte ein Symposium im Haus des Deutschen Ostens im Februar 2014 sowie ein Vortrag im Mai 2014. Die Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit wird das Thema des Gedenktages in einer Publikation aufgreifen und das Bildungsministerium hat zudem bayerische Schulen im März 2014 aufgefordert, das Thema im Rahmen des Schuljahres zu behandeln.
Definition „Flucht“, „Vertreibung“, „Deportation“
Desweiteren interessierte uns, welche historischen Ereignisse genau unter den Begriffen „Flucht“, „Vertreibung“ und „Deportation“ subsumiert sind und wie viele Opfer diesen drei Begriffen zugeordnet werden. Als Opfergruppe definiert die Staatsregierung:
„Millionen Menschen in den historischen deutschen Ost- und Siedlungsgebieten [welche] Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation [wurden]. Sie verloren ihr Eigentum, ihre Heimat und viele auch ihr Leben.“ – Staatsministerin Emilia Müller
Diese Opfergruppe umfasst 12 Millionen Deutsche.
Tag der Heimat vs. neuer Gedenktag
Es gibt bereits einen Vertriebenen-Gedenktag, den „Tag der Heimat“. Wir fragen nach, welchen Charakter die Regierung diesem Tag beimisst und ob diesem nicht (aufgrund von Beflaggung von Gebäuden und Dienstwägen) ein offizieller Charakter beigemessen werden muss? Neben dem Tag der Heimat gibt es einen weltweiten, auf UN-Initiative hin stattfindenden, Weltflüchtlingstag (jährlich 20. Juni). Ich habe mich deshalb gefragt, warum ein weiterer Gedenktag eingerichtet wurde. Die Antwort der Ministerin macht deutlich, dass im Mittelpunkt des neuen Gedenktags Menschen aus deutschen Ost-und Siedlungsgebiete sowie deren gelungene Integration und Leistung für Deutschland stehen – dies unterscheide den neuen Gedenktag deutlich von den anderen beiden.
Charta der deutschen Heimatvertriebenen
Die Einrichtung des „Gedenktages für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation“ beruft sich auf die „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“.Die Charta wird im Zuge des neuen Gedenktages erwähnt – deshalb haben wir nachgefragt, ob die Staatsregieurung die Charta unterstützt. Diese Frage wurde nicht direkt beantwortet – die Staatsregierung anerkennt aber deutlich die Leistung der Heimatvertriebenen für ein geeintes Europa und für die Völkerverständigung. Auch weitere von mir explizit erfragte Einschätzungen wurden bei der Beantwortung der Fragen umgangen.
Kontext Zweiter Weltkrieg
Abschließend haken wir nach, wie der Gesamtkontext des Zweiten Weltkriegs und die nationalsozialistische Gewaltherrschaft in den Gedenktag eingebettet ist und wie sichergestellt wird, dass das Leid der anderen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nicht relativiert wird. Ministerin Müller kann dies nicht konkret beantworten, verweist aber auf die Redner, Interviewpartner und Moderatoren der Feierstunden, die wesentlich für die inhaltliche Schwerpunktsetzung zuständig seien. Sie geht aber davon aus, dass diese Personen sich an die Schwerpunkt-und Zielpunktsetzung der Proklamation des Gedenktages für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation halten.
Alle Details können Sie der gesamten Schriftlichen Anfrage (pdf) entnehmen.