Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

CSU-Überwachungswahn

Polizeiaufgabengesetz: Darum geht’s und deshalb sind wir dagegen.

26. April 2018 in Im Parlament |

Gegen die weitere Verschärfung des Polizeiaufgabengesetzes: Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende

Wir Grüne möchten, dass alle Menschen in Bayern frei und sicher leben. Deswegen setzen wir uns für eine bessere personelle Ausstattung der Polizei ein und verteidigen die Freiheits- und BürgerInnenrechte. Das ist dringend nötig, denn die CSU möchte das bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) erneut verschärfen. Bereits gegen die erste Novelle klagen wir. Und treiben den breiten Protest in ganz Bayern nun voran.

Grüne wehren sich gegen CSU-Novelle des Polizeiaufgabengesetzes

Wir halten das Polizeiaufgabengesetz in der von der CSU vorgelegten Form für verfassungswidrig. Wir möchten keine Vernachrichtendienstlichung der Polizei! Die Bayerischen Sicherheitsbehörden müssen personell und ressourcenmäßig endlich so gut ausgestattet werden, dass sie bestehende Instrumente (Stichwort Observation der Gefährder) anwenden können. Wir stellen uns gegen bloße Sicherheitsplacebos, wie der elektronischen Fußfessel und dem Präventivgewahrsam, ohne absolute zeitliche Obergrenze.

Die Freiheitsrechte aller Bürgerinnen und Bürger dürfen durch den massiven Ausbau polizeilicher Befugnisse nicht weiter ausgehöhlt werden. – Katharina Schulze

Nun hat die CSU Änderungsanträge zu ihrem Gesetzentwurf vorgelegt. Ich freue mich, dass der starke Protest aus der Zivilgesellschaft und von uns Grünen im Landtag wirkt, denn die CSU rudert zum Beispiel beim Thema automatisierte Videoüberwachung massiv zurück: Die Fehleranfälligkeit der Trackingsysteme hat die CSU-Regierung endlich anerkannt und nun sollen nur Gegenstände „intelligent“ im öffentlichen Raum verfolgt werden können, keine Personen. Die geplanten Änderungen bei der Möglichkeit zur DNA-Analyse sind allerdings eher Kosmetik als echte Verbesserung. Weitere Punkte lehnen wir ebenfalls ab, da sie die im Kern verfassungswidrige 2. Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes nur abschwächen, aber dadurch auch nicht verfassungsgemäß gestalten.

Ich war Anfang Mai dann ganz schön verwundert über die Verbalattacken des CSU-Innenministers Herrmann gegen das PAG-Bündnis und auf die rund 35.000 Münchner Demonstrantinnen und Demonstranten gegen das Polizeiaufgabengesetz (PAG). Das zeigt, dass die CSU bedenklich aus der Waage kippt: für „besorgte BürgerInnen“ von rechts gibt sie sich zunehmend verständnisvoll, für die Sorgen der breiten Mitte unserer Gesellschaft aber hat sie kein Ohr.

Ministerpräsident Söder verteilte daraufhin nur Beruhigungspillen an die vielen KritikerInnen. Dabei versucht er ähnlich wie sein Minister Herrmann, den breiten bürgerlichen Protest zu diskreditieren und in einen „gut meinenden“ und einen in seinen Augen „schlecht meinenden“ Teil zu spalten. Das ist allzu durchsichtig und infam. Absolut unglaubwürdig ist die Ankündigung einer Kommission, die die Einführung des PAG begleiten soll. Es ist eine alte Strategie der CSU, Evaluierungen und eventuelle spätere Anpassungen zu versprechen, aber nie umzusetzen. Das haben wir beim Windkraftabwürgegesetz 10H erlebt, das will man uns jetzt wieder unterjubeln.

Wir bleiben dabei: Dieses verfassungswidrige Gesetz darf nicht verabschiedet werden. Wir Grüne wollen die zweite Novelle des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) mit einem Geschäftsordnungsantrag zur Plenarsitzung am 15. Mai 2018 stoppen. Wenn das Gesetz von der Tagesordnung kommt, kann die CSU-Mehrheit es auch nicht beschließen. Die CSU-Regierung muss die Bedenken der Bevölkerung ernst nehmen!

Umfrage zeigt: 60% gegen CSU-Überwachungswahn

Eine aktuelle Umfrage zeigt ganz klar: Die Bürgerinnen und Bürger Bayerns erteilen dem Überwachungswahn der CSU-Regierung eine klare Absage. Den Kern der von der CSU angestrebten neuen Gesetzgebung, weitgehende Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse der Polizei schon bei so genannter „drohender Gefahr“, lehnen fast 60 Prozent der Bayerinnen und Bayern ab. Nur knapp 18 Prozent der 2.500 vom Meinungsinstitut CIVEY im Auftrag der Landtagsgrünen befragten Bürgerinnen und Bürger sind anderer Meinung. Mehr dazu hier. 

Meine Rede zum Polizeiaufgabengesetz im Landtag

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Grüne Ideen für bürgernahe Innenpolitik

Wir treten ein für eine gut ausgestattete Polizei, die zielgerichtete Abwehr von Gefahren, den Ausbau der Prävention und eine starke Zivilgesellschaft. Der berechtigte Wunsch nach größerer Sicherheit und die hohen Güter der Freiheit und des Rechtsstaats müssen zusammengedacht werden. Worauf es dabei ankommt, ist die richtige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Mehr dazu im Grünen Konzept Innenpolitik (PDF).

Unsere Hauptkritik am aktuellen CSU-Entwurf zum Polizeiaufgabengesetz

Mit der 2. Novellierung soll die Polizei von der CSU zusätzliche Eingriffsbefugnisse bekommen. Mit dem Begriff der „drohenden Gefahr“ kann die Polizei leichter in die Privatsphäre eindringen und es kommt zu einer Vernachrichtendienstlichung der Polizei. Die Einwände der ExpertInnen in der Landtags-Anhörung zur 2. PAG-Novelle waren deutlich.

Begriff der „drohenden Gefahr“ (siehe unten 1. Novelle des PAG)

Die Eingriffsbefugnisse der Polizei aufgrund der neuen Gefahrenkategorie werden durch die 2. Novellierung noch mal ausgeweitet. Jetzt soll die Polizei schon aktiv werden können, wenn sie einen bloßen Verdacht hat und z.B. Telefone und  E-Mail-Verkehr überwachen oder Online-Durchsuchungen durchführen. Nur die Wohnraumüberwachung und die Rasterfahndung erfordern weiterhin das Vorliegen einer „konkreten Gefahr“.

Präventive DNA-Analyse sowie DNA-Feststellung von Geschlecht, Augen-, Haar- und Hautfarbe, des biologischen Alters und Herkunft

Diese Befugnis begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken und stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und in den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit dar. Außerdem ist die Methode zur Feststellung sehr fehleranfällig. Bei Öffentlichkeitsfahndungen wird sie deshalb zu Diskriminierungen (racial profiling) führen.

Einsatz von Body-Cams

Im Laufe der Beratungen im Landtag ist eine Verschärfung der Vorschrift hinzugetreten, da die CSU auch das sogenannte Pre-Recording durch die Rechtsgrundlage abgedeckt wissen will. Die Bodycams der PolizistInnen werden künftig also nicht erst dann aufzeichnen, wenn eine Situation eskaliert, sondern schon davor filmen und speichern.

Einsatz von Kamera-Drohnen

Videoüberwachung aus der Luft kann eine große Menschenmenge detailliert erfassen. Das weckt vor allem im Zusammenhang mit dem Filmen von Demonstrationen verfassungsrechtliche Bedenken bei uns. Dass Polizei-Drohnen nach dem Änderungsantrag der CSU-Fraktion klarstellt, dass diese nicht bewaffnet werden dürfen, verbessert die Regelung nicht.

Chronologie des bayerischen Polizeiaufgabengesetz

Jahr 2017: 1. Novellierung des PAG

  • 4. April 2017 1. PAG-Novelle: Die CSU-Staatsregierung reicht (LT-Drs. 17/16299) den Entwurf für ein „Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen“ ein. Es wird in der Öffentlichkeit als „Gefährdergesetz“ bezeichnet, trifft aber nicht nur islamistische Gefährder, sondern bedeutet Eingriffe in die Bürgerrechte der gesamten Bevölkerung.
  • 17. Mai 2017 Im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport erfolgt eine Expertenanhörung.
  • 24. Juli 2017 Der Bayerische Landtag beschließt das Gesetz mit den Stimmen der CSU-Fraktion. Die Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimmen als einzige gegen den Entwurf. Die Abgeordneten der SPD-Fraktion sowie der Fraktion der FW enthalten sich der Stimme.
  • 01. August 2017 Das Gesetz tritt in Kraft.
  • 27. März 2018 Die Grüne Landtagsfraktion reicht Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof ein.

Jahr 2018: 2. Novellierung des PAG

  • 30. Januar 2018 2. PAG-Novelle: Die CSU-Staatsregierung reicht (LT-Drs. 17/20425 ) den Entwurf für das PAG-Neuordnungsgesetz ein. Die Staatsregierung betreibt eine massive Ausdehnung der Polizeibefugnisse in das Gefahrenvorfeld.
  • 21. März 2018 Im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport erfolgt eine Expertenanhörung.
  • April 2018: Die CSU bringt Änderungsanträge zum Gesetzentwurf ein, die diesen teilweise verschlimmern (Pre-Recording bei den Body-Cams), an anderer Stelle auch abmildern.
  • 15. Mai 2018 2. Lesung im Bayerischen Landtag: finale Beschlussfassung durch die Stimmen der CSU. Wir Grüne haben dem Gesetz nicht zugestimmt.
  • 25. Mai 2018 Inkrafttreten
  • Danach Wir Grüne werden auch gegen die 2. PAG-Novelle vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof zeitnah klagen.

Diese Neuerungen brachte die 1. Novelle des Polizeiaufgabengesetzes 2017

Mit dem Gesetz wurde das Polizeiaufgabengesetz (PAG), das Bayerische Datenschutzgesetz (BayDSG) und das Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) geändert. Anders als oft beschrieben, wurde kein eigenes „Gefährdergesetz“ geschaffen, sondern die allgemeinen, für alle Bürgerinnen und Bürger geltenden Rechtsvorschriften durch die Neuregelung verschärft. Wir Grüne klagen momentan dagegen.

Das Gesetz beschränkt die neuen Eingriffsbefugnisse nicht auf die Abwehr terroristischer Bedrohungen, sondern erfasst mit großer Streubreite gleichsam die gesamte Bevölkerung. Mit diesem Gesetz werden vor allem drei gravierende Änderungen in die Bayerische Sicherheitsarchitektur eingeführt: der Begriff der „drohenden Gefahr“, die elektronische Fußfessel für Gefährder und die Einführung der Möglichkeit einer sogeannten präventiven „Unendlichkeitshaft“.

Was kann ich tun? Demonstrieren!

Katharina Schulze bekämpft das neue Polizeiaufgabengesetz im Landtag, vor Gericht und auf der Straße.

Breiter Widerstand formiert sich gegen das CSU-Polizeiaufgabengesetz. Die CSU wird es im Landtag mit ihrer absoluten Mehrheit durchpeitschen. Ihre Reaktion auf die ersten Proteste: zwei weitere Verschärfungen. Dann ein paar kleinere Verbesserungen. Wir zeigen, dass unsere Freiheitsrechte nicht weiter eingeschränkt werden dürfen und demonstrieren daher (parallel zur Gegenwehr im Landtag) auf der Straße gegen das Polizeiaufgabengesetz:

  • 26. Mai: Augsburg (mehr)

Demonstrationen in München, Erlangen, Nürnberg, Würzburg, Regensburg, Hof, Kempten, Passau, Augsburg, Weiden, Coburg, München, Murnau, Bamberg, Ingolstadt und Bayreuth mit vielen tausenden TeilnehmerInnen haben bereits stattgefunden.