Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

CSU-Überwachungswahn

Polizeiaufgabengesetz: Darum geht’s und deshalb klagen wir nun dagegen.

15. Mai 2018 in Im Parlament, Unterwegs |

Katharina Schulze bekämpfte das PAG im Landtag, auf der Straße & nun erneut vor Gericht.

Wir Grüne möchten, dass alle Menschen in Bayern frei und sicher leben. Deswegen setzen wir uns für eine bessere Ausstattung der Polizei ein und verteidigen Freiheits- und Bürgerrechte. Das ist dringend nötig, denn die CSU hat das bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) erneut verschärft. Bereits gegen die erste Novelle klagen wir. Mit dem bayernweiten Protest im Rücken werden wir nun auch gegen das neue PAG klagen.

Bunter Protest in ganz Bayern

Wir haben die niedrigste Kriminalitätsbelastung in Bayern seit 30 Jahren. Die Sicherheitslage ist ausgezeichnet. Trotzdem hat die CSU die Freiheit mit dem neuen PAG massiv eingeschränkt. Sie tun dies nicht, weil wir ein Sicherheitsproblem haben. Sie tun dies vor allem, weil sie sich davon Vorteile im Wahlkampf versprechen. Aber sie haben sich verrechnet. Sie haben sich verrechnet, weil die BürgerInnen ihren Plan durchschauen und nicht bereit sind, ihre Bürgerrechte aufzugeben. Es begann mit einer Demo in Regensburg und ist mittlerweile eine richtige #noPAG-Bewegung geworden! Seit Tagen und Wochen gehen Zehntausende von Menschen gegen den Überwachungswahn der CSU auf die Straße! Der Höhepunkt fand letzte Woche in München statt – über 35.000 Menschen haben für die Freiheit, den Rechtstaat und unsere Demokratie demonstriert!

All die Menschen wollen in Bayern frei und sicher leben. Sie wissen, dass Bayern das sicherste Bundesland ist, dank der guten Arbeit unserer Polizei. Und weil das so ist, können sie nicht nachvollziehen, warum die CSU jetzt ihre Bürgerrechte einschränkt. Warum soll die Polizei präventiv mein Telefon anzapfen, meinen Computer und meine Cloud durchsuchen können, nur aufgrund einer schwammigen „drohenden Gefahr“? Warum soll im sichersten Bundesland die Freiheit weiter beschnitten werden? Sie fragen sich zurecht: Braucht es das? Nein, das braucht es nicht.

Beruhigungspillen und kaum Respekt vor PAG-GegnerInnen

Ich war nach der großen Demo in München ganz schön verwundert über die Verbalattacken des CSU-Innenministers Herrmann gegen das PAG-Bündnis und auf die rund 35.000 Münchner DemonstrantInnen. Das zeigt, dass die CSU bedenklich aus der Waage kippt: für „besorgte BürgerInnen“ von rechts gibt sie sich zunehmend verständnisvoll, für die Sorgen der breiten Mitte unserer Gesellschaft aber hat sie kein Ohr.

Den vielen jungen KritikerInnen des Gesetzes unterstellt die CSU kürzlich implizit, dass sie gegen das Gesetz demonstrieren, weil sie darüber nicht ausreichend aufgeklärt sind. Anders Denkende werden nicht respektiert und sollen zur Not in den Klassenzimmern umgestimmt werden. Ich finde, die bayerische Polizei mit ihren 2,2 Millionen Überstunden hat weitaus wichtigere Aufgaben, als an unseren Schulen das vermurkste CSU-PAG-Gesetz zu erklären.

Ministerpräsident Söder verteilte daraufhin nur Beruhigungspillen an die vielen KritikerInnen. Dabei versucht er ähnlich wie sein Minister Herrmann, den breiten bürgerlichen Protest zu diskreditieren und in einen „gut meinenden“ und einen in seinen Augen „schlecht meinenden“ Teil zu spalten. Das ist allzu durchsichtig. Absolut unglaubwürdig ist die Ankündigung einer Kommission, die die Einführung des PAG begleiten soll. Es ist eine alte Strategie der CSU, Evaluierung und spätere Anpassungen zu versprechen, aber nie umzusetzen.

Grüne klagen erneut gegen CSU-Novelle des PAG

Wir halten das Polizeiaufgabengesetz in der von der CSU durchgeboxten Form für verfassungswidrig. Wir möchten keine Vernachrichtendienstlichung der Polizei! Die Bayerischen Sicherheitsbehörden müssen personell und ressourcenmäßig endlich so gut ausgestattet werden, dass sie bestehende Instrumente (Stichwort Observation der Gefährder) anwenden können. Wir stellen uns gegen bloße Sicherheitsplacebos, wie der elektronischen Fußfessel und dem Präventivgewahrsam, ohne absolute zeitliche Obergrenze. Die Freiheitsrechte aller BürgerInnen dürfen durch den massiven Ausbau polizeilicher Befugnisse nicht weiter ausgehöhlt werden.

Nachdem dieses verfassungswidrige Gesetz von der CSU durchgeboxt wurde, führt an einer gerichtlichen Auseinandersetzung kein Weg vorbei. – Katharina Schulze

Keine Sorge, der Protest wird weitergehen! Da können Ministerpräsident Söder oder Innenminister Herrmann noch so oft probieren das Lager der KritikerInnen zu spalten – das wird ihnen nicht gelingen. Fußballfans, UmweltschützerInnen, junge Leute und SeniorInnen und Mitglieder verschiedener Parteien werden auch weiterhin für unsere Freiheit auf die Straße gehen – und vor Gericht! Denn die Freiheit stirbt bekanntermaßen scheibchenweise. Das lassen wir nicht zu!

Umfrage zeigt: 60% gegen CSU-Überwachungswahn

Eine aktuelle Umfrage zeigt ganz klar: Die Bevölkerung Bayerns erteilt dem Überwachungswahn der CSU-Regierung eine klare Absage. Den Kern der von der CSU angestrebten neuen Gesetzgebung, weitgehende Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse der Polizei schon bei so genannter „drohender Gefahr“, lehnen fast 60 Prozent der BayerInnen ab. Nur knapp 18 Prozent der 2.500 vom Meinungsinstitut CIVEY im Auftrag der Landtagsgrünen befragten Bürgerinnen und Bürger sind anderer Meinung. Mehr dazu hier. 

Unsere Hauptkritik am CSU-Polizeiaufgabengesetz

Mit der 2. Novellierung hat die Polizei von der CSU zusätzliche Eingriffsbefugnisse bekommen. Mit dem Begriff der „drohenden Gefahr“ kann die Polizei leichter in die Privatsphäre eindringen und es kommt zu einer Vernachrichtendienstlichung der Polizei. Die Einwände der ExpertInnen in der Landtags-Anhörung zur 2. PAG-Novelle waren deutlich.

Begriff der „drohenden Gefahr“ (siehe unten 1. Novelle des PAG)

Die Eingriffsbefugnisse der Polizei aufgrund der neuen Gefahrenkategorie wurden durch die 2. Novellierung noch mal ausgeweitet. Jetzt soll die Polizei schon aktiv werden können, wenn sie einen bloßen Verdacht hat und z.B. Telefone und  E-Mail-Verkehr überwachen oder Online-Durchsuchungen durchführen. Nur die Wohnraumüberwachung und die Rasterfahndung erfordern weiterhin das Vorliegen einer „konkreten Gefahr“.

Präventive DNA-Analyse sowie DNA-Feststellung von Geschlecht, Augen-, Haar- und Hautfarbe, des biologischen Alters und Herkunft

Diese Befugnis begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken und stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und in den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit dar. Außerdem ist die Methode zur Feststellung sehr fehleranfällig. Bei Öffentlichkeitsfahndungen wird sie deshalb zu Diskriminierungen (racial profiling) führen.

Einsatz von Body-Cams

Im Laufe der Beratungen im Landtag ist eine Verschärfung der Vorschrift hinzugetreten, da die CSU auch das sogenannte Pre-Recording durch die Rechtsgrundlage abgedeckt wissen will. Die Bodycams der PolizistInnen werden künftig also nicht erst dann aufzeichnen, wenn eine Situation eskaliert, sondern schon davor filmen und speichern.

Einsatz von Kamera-Drohnen

Videoüberwachung aus der Luft kann eine große Menschenmenge detailliert erfassen. Das weckt vor allem im Zusammenhang mit dem Filmen von Demonstrationen verfassungsrechtliche Bedenken bei uns. Dass Polizei-Drohnen nach dem Änderungsantrag der CSU-Fraktion klarstellt, dass diese nicht bewaffnet werden dürfen, verbessert die Regelung nicht.

Grüne Ideen für bürgernahe Innenpolitik

Wir treten ein für eine gut ausgestattete Polizei, die zielgerichtete Abwehr von Gefahren, den Ausbau der Prävention und eine starke Zivilgesellschaft. Der berechtigte Wunsch nach größerer Sicherheit und die hohen Güter der Freiheit und des Rechtsstaats müssen zusammengedacht werden. Worauf es dabei ankommt, ist die richtige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Mehr dazu im Grünen Konzept Innenpolitik (PDF).


Hier finden Sie weitere Infos zur Chronologie des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes und unsere Klage gegen die 1. Novelle des vergangenen Jahres: » Polizeiaufgabengesetz: Darum geht’s und deshalb sind wir dagegen.