Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

Pressemitteilung

Bedrohungslage Kommunalpolitik 2020

26. April 2021 in Anträge und Anfragen, Im Parlament, Pressemitteilungen |

Die Bedrohungslage für kommunalpolitische Mandatsträger*innen in Bayern ist weiterhin sehr besorgniserregend. Bereits im November 2019 wurde auf Hinwirken auf grüne Initiative im Landtag eine Expertenanhörung im Innenausschuss abgehalten, woraus die Grünen im Nachhinein ein Maßnahmenpaket entwickelt hatten. Laut der Antwort der Staatsregierung auf eine kürzlich gestellte Schriftliche Anfrage (PDF) der Abgeordneten  Katharina Schulze und Johannes Becher hat sich die Gesamtlage strafrechtlich relevanter Sachverhalte zum Nachteil von Mandatsträger*innen weiterhin verschlechtert.

Im Jahr 2020 haben die Übergriffe auf Amts- und Mandatsträger*innen wohl aufgrund der staatlichen Beschränkungsmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie deutlich zugenommen. „Es liegt im Kern unserer Demokratie, dass es unterschiedliche Meinungen gibt, die man respektieren und aushalten muss. Allerdings zeigen die Entwicklungen, dass bayerische Kommunalpolitiker*innen weiterhin stark bedroht werden und das dürfen wir in unserem Rechtsstaat nicht zulassen“, kommentiert Becher, der kommunalpolitische Sprecher der Grünen.

So wurden im letzten Jahr im Vergleich zu 2019 mehr als doppelt so viele Straftaten politisch motivierter Kriminalität gegen kommunale Amts- und Mandatsträger*innen erfasst. Insbesondere Straftaten selbsternannter „Reichsbürger“ gegenüber Kommunalpolitiker*innen haben sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt und geben Anlass zur Sorge. „Die gefährliche Reichsbürgerbewegung gehört endlich konsequent entwaffnet, auf die Szene den Fahndungs- und Ermittlungsdruck erhöhen und mehr Demokratiebildung bereitstellen“, so Katharina Schulze, innenpolitische Sprecherin.

Erfreulicherweise konnte etwa die Hälfte der angezeigten Straftaten durch polizeiliche Ermittlungen aufgeklärt werden. Außerdem ist anzunehmen, dass eine erhöhte Anzeigebereitschaft einen großen Beitrag zur erfolgreichen Aufklärung durch die bayerische Polizei leistet.

Die Staatsregierung hat einige Maßnahmen getroffen, um einen Beitrag zur Aufklärung und Prävention von Straftaten zu leisten. Jedoch greifen diese Maßnahmen für die Grünen noch zu kurz: „Es braucht einen niedrigschwelligen Ansatz, eine zentrale Anlaufstelle für Bürgermeister*innen und Landrät*innen, wo sie Ansprechpartner*innen finden und über ihre Probleme sprechen können, ohne die Vorfälle gleich zur Anzeige bringen zu müssen“, findet Becher.

Aufgrund der dramatischen Entwicklungen sehen die Grünen auch die Bereitschaft, sich ehrenamtlich für ein kommunalpolitisches Mandat zu engagieren, bedroht. Die grüne Forderung nach der Durchführung einer Dunkelfeldstudie, um die nicht zur Anzeige gebrachten Straftaten ans Licht zu bringen und dadurch einen besseren Überblick der Bedrohungslage zu erhalten, lehnt die Staatsregierung weiterhin ab. „Wir brauchen auch endlich eine virtuelle Polizeiwache in Bayern, bei der alle Menschen niedrigschwellig Anzeige gegen Hass, Hetze und Beleidigung erstatten können“, findet Schulze.


Die Zahlen:

Die Zahl der Straftaten gegen kommunale Amts- und Mandatsträger*innen ist von 51 auf 127 Delikte im Jahr 2020 gestiegen. Bei allen Amts- und Mandatsträger*innen in Bayern ist der Trend noch deutlicher mit einem Anstieg von 245 auf 703 Straftaten.

Die Zahl der Beleidigungen nach §185 StGB ist von 14 auf 45 Straftaten um das dreifache gestiegen. Insgesamt ist die Zahl der Beleidigungen gegen Amts- und Mandatsträger*innen auf 343 in 2020 gestiegen. Davon gelten 305 als politisch nicht zuordbar. Dies dürfte zum größten Teil auf die Corona-Proteste zurückzuführen sein.

Die Zahl der Bedrohungen nach §241 StGB ist von 9 auf 11 angezeigte Delikte gestiegen. Insgesamt wurden 66 Bedrohungen gegen Amts- und Mandatsträger*innen 2020 angezeigt. Auch hier gelten 53 Straftaten als politisch nicht zuordbar.

Auch die Zahl der Straftaten, welche dem Spektrum der Reichsbürger zugeordnet werden, hat sich von 15 auf 36 Delikte im Jahr 2020 mehr als verdoppelt. Insgesamt waren es 2020 97 Straftaten aus diesem Spektrum gegen Amts- und Mandatsträger*innen.

Die Zahl der Gewaltdelikte gegen Amts- und Mandatsträger*innen insgesamt hat sich mit 40 Taten in 2020 verdoppelt (20 in 2019 und 8 in 2018).

Die stark gestiegenen Zahlen dürften nur teilweise auf eine gestiegenes Anzeigeverhalten und die Sensibilisierung der Betroffenen zurückzuführen sein. Trotz der Möglichkeit zur Online-Anzeigenerstattung dürfte das Dunkelfeld nicht angezeigter Taten in diesem Bereich immer noch enorm hoch sein.

Weitere Informationen entnehmen Sie bitte meiner Schriftlichen Anfrage (PDF).