Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

Maßnahmen gegen Hass im Netz

Hate Speech geht uns alle an!

6. März 2020 in Im Parlament |

Wer Hass und Hetze im Internet verbreitet, will anderen die Würde, die Menschlichkeit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit absprechen. Mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung hat das nichts zu tun – unsere Demokratie gerät in Gefahr. Sie und alle unsere Grundrechte müssen wir immer verteidigen: im ganzen Land, in jeder Kommune.

Wir brauchen Gesetze, die wirken

Die Bundesregierung hat angekündigt, dass künftig auch Kommunalpolitiker*innen unter den Schutz des Strafrechtstatbestands der üblen Nachrede gegen Personen des politischen Lebens gestellt werden sollen. Der Vorstoß ist überfällig. Klar ist aber auch: Wir brauchen nicht strengere Gesetze, sondern Gesetze, die wirken.

Es braucht endlich Waffengleichheit zwischen Betroffenen und Täter*innen: Eine strafbare Handlung zu verfolgen, soll für Betroffene genauso leicht sein, wie es für die Täter*innen leicht ist, Hass und Hetze in die Computer zu tippen. Daher haben wir Grüne in Bayern ein Maßnahmenpaket in den Landtag eingebracht.

Grünes Maßnahmenpaket für Bayern

Bayern gehört zu den Ländern, in denen nur sehr wenige Delikte auf der Online-Wache angezeigt werden können. Hate Speech-Delikte zählen nicht dazu – das muss sich ändern. Außerdem fordern wir eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft Hate Speech und digitale Gewalt, bei der alle Anzeigen zentral zusammenlaufen, damit konzertierte Hassangriffe auch als solche erkannt werden. Wir wollen zudem nach dem baden-württembergischen Vorbild „respect!“ eine zentrale Meldestelle für Hate Speech einrichten. Diese soll strafrechtlich relevante Beiträge identifizieren und die Netzwerke-Betreiber zur Löschung auffordern. Zeigen sich die Provider nicht kooperativ, ist in bestimmten Fällen eine Klage möglich.

Schnelle und kompetente Hilfe

Betroffene brauchen schnelle und kompetente Hilfe. Deshalb wollen wir eine zentrale Beratungsstelle für Opfer von Hate Speech schaffen – egal, ob sie Politik machen oder noch zur Schule gehen. Sie soll neben der unmittelbaren rechtlichen Beratung und der Entwicklung von Gegenstrategien auch niedrigschwellige Hilfe bei gesundheitlichen Problemen leisten.

Auch Kommunalpolitiker*innen werden immer öfter und immer massiver bedroht. So musste sich Ende November 2019 die Bürgermeisterin einer sächsischen Gemeinde wegen massiver rechtsradikaler Hetze in den Ruhestand versetzen lassen.

Eine Expertenanhörung im Bayerischen Landtag Ende 2019 hat den subjektiven Eindruck bestätigt: Die Bedrohungslage hat sich für Politiker*innen auf allen Ebenen in den vergangenen 20 Jahren erheblich verändert. Wurden sie früher auf der Straße oder in anonymen Schreiben beschimpft, gibt es heute über Social Media und E-Mails reichlich Möglichkeiten, schnell und vermeintlich straffrei Hass und Hetze loszuwerden. Die Verunglimpfungen, Pöbeleien und Bedrohungen werden immer drastischer. Es geht oft nicht nur darum, eine politische Position abzulehnen. Sondern darum, die Politiker*innen persönlich herabzuwürdigen und zu verletzen.

Politikerinnen werden besonders häufig angefeindet

Politisch aktive Frauen sind oft noch stärker von Hass und Hetze betroffen als ihre männlichen Kollegen im Rat, da hier Sexismus und Frauenfeindlichkeit eine weitere Plattform bekommen. Frauen werden mit der ganzen Bandbreite von Einschüchterungen und Beleidigungen konfrontiert. Die Täter scheinen hier völlig hemmungslos vorzugehen.

Der Hass muss weichen – nicht die Demokrat*innen!

Die Betroffenen stehen diesen Attacken oft eingeschüchtert und hilflos gegenüber. Wer zum ersten Mal in einen Shitstorm gerät oder Gewaltandrohungen erfahren hat, weiß sich oft nicht anders zu helfen, als sich zu verkriechen.

Ich kenne das Gefühl gut, ich kann aber nur allen zurufen: Der Hass muss weichen – nicht die Person, die sich für unsere Demokratie einsetzt!

Genau das ist die Gefahr: dass Menschen, die sich für unser Gemeinwesen einsetzen, sich deswegen zurückziehen. Aus diesem Grund treffen diese Angriffe uns alle, denn wir brauchen Kommunalpolitiker*innen, die frei und mutig ihre Meinung vertreten. Mehr denn je!

Was tun, wenn man selbst betroffen ist?

Jede und jeder kann von Hate Speech betroffen sein. Es ist wichtig zu verstehen, dass es kein Zeichen von Schwäche oder persönlichen Defiziten ist, wenn man ins Visier von Hatern oder organisierten Kampagnen geraten ist. Betroffene müssen sich möglichst schnell Unterstützung holen.

Zur Polizei gehen: Wichtig ist es, schnell die strafbaren Beleidigungen und Bedrohungen bei der Polizei anzuzeigen. Denn nur so können die Täter bestraft werden.

Unterstützung holen: Wer von Hass und Hetze betroffen ist, sollte sich Unterstützung in der eigenen Fraktion und im gesamten Rat holen. Hilfreich wäre, wenn sich eine Person aus der Fraktion oder dem Kreisverband für das Community Management in den Sozialen Medien zuständig fühlt. Um besonders schlimme Fälle kann sich ein Medienanwalt kümmern.

Ans Licht bringen: Wir raten dazu, die persönlichen Attacken dann öffentlich zu machen. So schaffen wir ein öffentliches Bewusstsein für diese Delikte und Solidarität. „Glaubt nicht alles, was ihr im Netz über mich lest“ – so reagierte beispielsweise Hannovers neuer Oberbürgermeister Belit Onay von uns Grünen via Twitter auf gezielte Fake News und rassistische Posts nach seiner Wahl. Kom-munal- wie Landespolitiker*innen der demokratischen Parteien stellten sich offensiv hinter ihn, so auch die Bürgermeisterkonferenz des Niedersächsischen Städtetages.

Sensibilisieren: Es ist wichtig, die eige- ne Stadt oder Gemeinde für das Problem zu sensibilisieren. So schafft man eine Gesprächskultur, in der betroffene Man- datsträgerInnen oder andere politisch Aktive über erlebte Angriffe sprechen können. Die Kommune könnte zum Bei- spiel eine ehrenamtliche Person bestim- men, die Ansprechpartnerin für von Hate Speech Betroffene ist.
Die Antwort auf Hass heißt Solidarität

Betroffene von Hate Speech sind nicht allein und dürfen nicht allein gelassen werden.

Es zeigt sich leider immer wieder, dass Betroffene aus Scham zunächst schweigen. Wichtig ist es, das sogenannte Dunkelfeld aufzuhellen und strafbare Delikte zur Anzeige zu bringen. Nur so kann die Polizei gegen die Täter*innen aktiv werden. Und wir alle müssen uns schützend vor die Betroffenen stellen.