Impuls
Unterstützung für Familien und Frauen in Corona-Zeiten
KiTas bleiben erstmal zu. Home-Office ist der Standard bei Berufen, wo es möglich ist. Ein Teil der Schüler*innen in Bayern muss ab Montag wieder in die Schule. Viele arbeiten und lernen von daheim, nicht immer mit eigenem Gerät oder mit Platz zum Draußen sein. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Arbeitsteilung in Familien, in denen die Frauen einen Großteil der unbezahlten Care-Arbeit übernehmen. Auch die Gefahr für häusliche Gewalt steigt in Krisen. Grüne Anregungen zur aktuellen Lage.
Wenn Sie regelmäßig meinen Blog oder meine Social-Media-Kanäle verfolgen, dann dürfte Ihnen mein Einsatz für die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern nicht neu vorkommen. In dieser beispiellosen Krise sind erneut wieder überproportional Frauen und Kinder davon bedroht, als wirtschaftliche und soziale Verliererinnen hervorzugehen. Deshalb dieser Beitrag.
Diese Pandemie bedroht den Feminismus
Egal ob im Supermarkt, in Krankenhäusern, Kindergärten, Pflegeeinrichtungen oder im eigenen Zuhause: Bei der Bekämpfung der aktuellen Corona-Pandemie sind vor allem Frauen schwer gefordert, sie leisten den Großteil der bezahlten und unbezahlten Sorgearbeit für unsere Gesellschaft. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) liegt der Frauenanteil in den als für die Krise als systemrelevant definierten Berufen bei fast 75 Prozent. Gleichzeitig zeichnen sich diese Berufsbereiche durch prekäre Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne aus.
Frauen übernehmen auch im unbezahlten Care-Sektor den Löwinnenanteil der Arbeitsstunden, denn oftmals müssen sie sich neben ihrer Berufstätigkeit auch noch um die Kinderbetreuung oder um pflegebedürftige Angehörige kümmern. Vor allem Alleinerziehende, davon 89% Frauen, stehen besonders unter Druck, weil sie keine Möglichkeit haben, die Betreuung in der Familie zu verteilen. Das alles galt übrigens auch schon in Vor-Corona Zeiten.
Die Krise bringt bei vielen Paaren wieder traditionelle Rollenbilder wie in den 50er-Jahren hervor und verstärkt bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern. Das macht mich wütend und ist gleichzeitig Ansporn, die politischen Rahmenbedingungen zu verändern! Denn die aktuelle Situation zeigt deutlich, wie brüchig die Gleichstellung der Geschlechter in Deutschland immer noch ist.
Ich bin überzeugt, der Einsatz für Feminismus kann jetzt Leben retten, da gerade Frauen an vorderster Front die Corona-Krise stemmen. Applaus um 19 Uhr für die Beschäftigten im Care-Sektor ist eine nette Geste, davon kann man aber keine Miete zahlen. Es müssen also auch politische die Rahmenbedingungen geändert werden: Jetzt wäre es z. B. wichtig, Tätigkeiten im Care-Sektor endlich angemessen zu bezahlen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und Fehlanreize des konservativen Ehegattensplitting endlich abzuschaffen.
Die umfassenden Auswirkungen der Pandemie auf die Erwerbstätigkeit und Existenzsicherung von Frauen sind noch nicht abschließend einschätzbar. Klar ist aber, dass Frauen häufiger als Männer in Minijobs und Teilzeitbeschäftigung tätig sind und diese Jobs erfahrungsgemäß bei wirtschaftlichen Krisen zuerst gefährdet sind. Weil Frauen immer noch deutlich weniger verdienen, fallen auch Lohnersatzleistungen wie das Kurzarbeitsgeld für sie geringer aus. Hier muss eine Kompensation auch mit Blick auf die oft zusätzliche Übernahme von Care-Arbeit erfolgen.
All diese wichtigen Themen dürfen wir mitten in der Krise nicht aus den Augen verlieren. Ich wünsche mir daher auch eine größere Debatte über die Corona-Folgen für Frauen und mehr Perspektiven von Frauen in der Politik und Wissenschaft. Sichtbar und hörbar sein ist natürlich einfacher, wenn man Zeit dafür hat. Deswegen ist – unabhängig von Corona – eine gerechte Aufteilung der Care-Arbeit und die Beendigung des Patriachat unabdingbar.
Familien entlasten, Notbetreuung ausweiten
Bund und Länder haben richtigerweise entschieden, ältere Menschen nicht zu isolieren. Ebenso wenig dürfen wir auch Kinder nicht sozial isolieren. Eine Herausforderung, wenn man annimmt, dass KiTas und Schulen noch längere Zeit nicht flächendeckend öffnen können. Dies ist leider zur Eindämmung der Pandemie weiter nötig. Daher unterstützen wir Grünen auch den Grundsatz, dass Kinder und Jugendliche soweit wie möglich daheim betreut und gefördert werden.
Gleichzeitig kämpfen wir dafür, dass die Notbetreuung für Eltern und Alleinerziehende ausgeweitet wird, auch wenn “nur” ein Elternteil einem systemkritischen Beruf nachgeht. Zudem muss die Betreuung auch Kindern offen stehen, die einen dringlichen sozial- oder sonderpädagogischen Förderbedarf haben. Eltern sollen ihren Bedarf vorab an die Einrichtungen melden, so dass ein Schichtsystem und flexible Buchungszeiten möglich sind.
Erzieher*innen und Lehrkräfte sollen zudem die Notbetreuung nach ihrer Einschätzung im Sinne des Kindeswohls für betreffende Kinder öffnen können. Wir brauchen besonders für Kindertageseinrichtungen, heilpädagogischen Tagesstätten und Grundschulen dringend mehr Schutzausrüstungen und für das Personal ebenfalls eine Maskenpflicht, um das Corona-Virus in den Griff zu bekommen.
Und wir brauchen eine Lösung für alle anderen Familien. Die aktuelle Situation ist eine große Belastung. Kinder brauchen soziale Kontakte zu anderen Kindern. Wir wollen Kinderrechte und Infektionsschutz zusammenbringen: Wir fordern deshalb, mit selbstorganisierten Betreuungsgruppen von Familien eine Alternative zur Notbetreuung in den Einrichtungen zu ermöglichen.
Wie könnte das aussehen? Zwei bis drei Familien bilden gemeinsam eine solche Betreuungsgruppe und unterstützen sich wechselseitig. Damit könnten Freundschaften gepflegt, Eltern entlastet und Kinder wieder sozialen Kontakt haben. Eine Bedingung für diese alternative Form der Betreuung ist, dass die Familien ansonsten keinen weiteren Kontakte haben, damit die Infektionsketten nachverfolgbar sind. Denn es ist weiterhin unser Ziel als Grüne, die Ausbreitungskurve zu verlangsamen, damit unser Gesundheitssystem nicht kollabiert und Menschen gerettet werden können. Mit kreativen und vorsichtigen Lösungen können wir Schritt für Schritt diesen Weg weiter gehen.
Auf Bundesebene setzen wir uns dafür ein, dass es eine Corona-Elternzeit mit Elterngeld für jene Menschen gibt, die wegen der Betreuung ihrer Kinder nicht arbeiten können. Das hilft, Druck, Existenzangst und Stress aus den Familien zu nehmen. Angelehnt an das bestehende Elterngeld, also an das durchschnittliche Nettoeinkommen des letzten Jahres, sollte es auch einen Schutz vor Kündigung für die Eltern geben. Wenn die KiTas irgendwann wieder öffnen können, erübrigt sich dann natürlich auch das Corona-Elterngeld.
Zur Situation in den Schulen (PDF) und zur Perspektive der Kinderbetreuung (PDF) diskutiert heute auf unseren Antrag hin auch der Bayerische Landtag. Die grüne Landtagsfraktion ist überzeugt, mit diesen Maßnahmen können wir unter dem gebotenen Infektionsschutz Familien entlasten und den oben angesprochenen emanzipatorischen Rückschritten entgegenwirken.
Hilfe bei den schlimmen Folgen der Isolation
Nicht für alle Kinder und Frauen ist die Familie der heile Rückzugsort. Die häusliche Gewalt steigt. Von Gewalt betroffene Kinder und Frauen dürfen während der Corona-Pandemie nicht allein gelassen werden. Es häufen sich die Meldungen, dass Telefonseelsorge und soziale Beratungsangebote häufiger in Anspruch genommen werden. Wir müssen die Seelsorge und Beratungsangebote online wie offline also ausweiten.
Soziale Hilfeeinrichtungen wie Tafeln und Archen müssen dringend unter Hygiene- und Abstandsauflagen wieder öffnen. Die Idee aus Frankreich, Beratungsstellen für Familien in Supermärkten zu schaffen, in denen es Informationen zu Hygiene in der Pandemie, Gesundheitsvorsorge in der Isolation und konkrete Hilfe bei Gewalt in der Familie gibt, finde ich sehr interessant – ich möchte so was auch für Deutschland! Denn, wenn man viel daheim in einem gewaltvollen Umfeld ist, kann man nicht so einfach die Telefonhotline anrufen. Andere Möglichkeiten der Kontaktaufnahme für Hilfe muss also bereitgestellt werden. Auch die aufsuchende Jugendhilfe muss mit dem nötigen hygienischen Schutzmaßnahmen möglich sein, um vor Ort Hilfe zu leisten.
Sollte der Fall der Fälle eintreten, braucht es einen bayerischen Notfallplan für Frauenhausplätze. Bei uns gibt es leider seit Jahren einen Mangel an Frauenhausplätzen, daher schlagen wir vor, kurzfristig die Kapazitäten der Frauenhäuser zu erhöhen, z.B. durch das Anmieten von momentan leerstehenden Pensionen oder Hotelzimmern. Langfristig muss endlich der Gewaltschutz besser ausgestattet und finanziert werden. Es blutet mein Herz, dass ein reiches Land wie Bayern das immer noch nicht schafft.
Mehr dazu? Aktuelle “Münchner Runde” im BR
Gestern Abend war ich der “Münchner Runde” des Bayerischen Rundfunks live zugeschaltet und habe unter anderem zusammen mit dem bayerischen Kultusminister Michael Piazolo und der Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands Simone Fleischmann über die Lage von Familien in der Corona-Krise diskutiert. Es war eine spannende Diskussion, bei der mir wichtig war zu sagen, dass Kinderrechte und Infektionsschutz mit kreativen Lösungen zusammengedacht werden müssen. Außerdem muss im Bereich Schule Bildungsgerechtigkeit hergestellt werden: Es gibt Familien, die haben keinen PC – hier braucht es ein Sofortprogramm, mit dem jedes Kind ein Endgerät fürs Lernen zur Verfügung gestellt bekommt.
Die Sendung zum Nachschauen:
Ergänzung vom 14. Mai 2020:
Es freut uns sehr, dass unsere Grünen Vorschläge zum Thema „Betreuungsfamilien“ und weitere Öffnung der Notbetreuung in den KiTas von der Regierung aufgegriffen wurde. Wir bleiben an dem wichtigen Thema Kinderrechte weiter dran. So haben wir z.B. einen Antrag auf eine Studie zu den psychosozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder in den Landtag eingebracht. Es soll untersucht werden, was die Maßnahmen gegen das Virus für Kinder und ihre weitere Entwicklung bedeutet. Wir müssen die Bedürfnisse der Kinder in dieser Krise stärker im Blick haben – Kinder dürfen nicht zu den Verliererinnen und Verlierern der Corona-Krise werden. Auch haben wir einen Antrag auf eine wissenschaftliche Begleitung der partiellen Öffnung von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen, um die Infektiosität von Kindern überprüfen zu lassen, gestellt. Wir brauchen in dem Bereich dringend mehr Datenmaterial!
Auch haben wir im Landtag einen Dringlichkeitsantrag für ein Corona-Elterngeld eingebracht. Leider hat die Regierung diesen abgelehnt.
Außerdem haben wir einen Antrag gestellt um die Grundversorgung zu sichern und Schwangerschaftsabbrüche auch während der Pandemie zu gewährleisten. Bereits vorder Pandemie gab es in einigen Teilen Bayern große Lücken in der wohnortnahen Versorgung von Frauen und einige Frauen mussten bereits weitere Strecken zurücklegen,um sich in ärztliche Behandlung begeben zu können. Laut §13 Abs. 2SchKG haben die Bundesländer die Pflicht, ein ausreichendes Angebot an ambulantenund stationären Einrichtungen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen können, sicherzustellen. Dies muss der Freistaat zum Schutze aller Frauen in Bayern gewährleisten. Der Grundsatz „Mein Körper, meine Entscheidung“ muss auch in Zeiten der Krise gelten.
Meinen Gastbeitrag zum Thema Corona-Krise und Gleichberechtigung in der Zeitschrift Capital kann man hier nachlesen.