Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

Dienstreise

Seehofers Russlandreise: ganz ok

27. März 2017 in Im Parlament, Unterwegs |

Ich habe die GRÜNEN auf einer Reise des Bayerischen Ministerpräsidenten nach Russland vertreten. Immerhin haben wir VertreterInnen der Zivilgesellschaft getroffen, auf grünen Druck hin. Nach der katastrophalen Performance des Möchtegern-Außenminister Seehofer bei seiner letzten Reise wurde im Vorfeld viel gerätselt, wie es dieses Mal läuft.

Vor der Reise: Hohe Erwartungen

Bei seiner letzten Reise zu Putin hat Seehofer einen katastrophalen Eindruck hinterlassen (mehr dazu). Im Plenum habe ich kurz vor der Abfahrt unsere grünen Erwartungen an Seehofer klar formuliert: unbequeme Themen ansprechen, insbesondere die Hackerangriffe auf den Bundestag und Versuche der Meinungsmanipulation. Die Aggression Russlands und das Blutvergießen in Syrien und die völkerrechtswidrige Annexion der Krim. Wir brauchen aufrechte Demokratinnen und Demokraten, die sich zu Europa bekennen. Nicht nur in Bayern, sondern auch im Ausland. (mehr zu meiner Rede im Plenum)

Außerdem haben wir GRÜNE dem Ministerpräsidenten einen Offenen Brief (PDF) geschickt, mit der klaren Aufforderung, dass auch ein Treffen mit der Zivilgesellschaft und NGOs in das Programm gehört. Parallel dazu habe ich natürlich schon Kontakt mit VertreterInnen der Heinrich-Böll-Stiftung vor Ort aufgenommen, weil es mir sehr wichtig war auch diese Stimmen zu hören. Man kann nicht nach Russland reisen und nur mit der Wirtschaft und der Kreml-Politik sprechen.

Zwei Tage vor Abreise kam dann endlich das finale Programm – und sieh an, die CSU-Regierung hat unsere Forderung aufgenommen und einen Termin mit Zivilgesellschaft und NGO vereinbart. Ein toller Erfolg für uns Grüne!

Vor Ort: dichtes Programm

Am ersten Abend kamen wir in Russland an und wurden vom Deutschen Botschafter in Moskau sehr gut und fundiert gebrieft.

Am nächsten Morgen stand das Gespräch mit den VertreterInnen der Landwirtschaft auf der Tagesordnung. Während Ministerpräsident Seehofer immer wieder betonte, dass das Ende der Sanktionen das Ziel ist, fand ich es sehr interessant, dass viele Geschäftsleute davon gesprochden haben, dass auch vor den Sanktionen der Handel mit Russland nicht einfach war. Russland fährt eine restriktive Handelspolitik – das Ende der Sanktionen würde viele Probleme nicht sofort lösen. An den Sanktionen gilt es festzuhalten so lange Russland sich weigert das Minsker Abkommen umzusetzen.

SPD-Fraktionsvorsitzender Rindersbacher und Grünen-Fraktionsvorsitzende Schulze treffen VertreterInnen der russischen Zivilgesellschaft

Russland braucht starke Zivilgesellschaft mehr denn je

Das Gespräch mit den VertreterInnen der Zivilgesellschaft war mein persönliches Highlight. Ich danke Oleg Orlov, Vorstandsmitglied von Memorial, Olga Zdravomyslove, Geschäftsführerin von der Gorbatschow-Stiftung, Grigoij Melkonjanz, Vorsitzender der Wahlbeobachtungsbewegung Golos und Sergeij Kriwenko, Leiter der Nichtregierungsorganisation „Armee. Bürger.Recht“ von Herzen, dass sie sich die Zeit genommen haben mit uns zu sprechen.

Sie berichteten, welche Auswirkungen das „ausländische Agenten“-Gesetz für sie hat: mit dem Gesetz sollen kritische Nichtregierungsorganisationen zum Schweigen gebracht werden. Meinen größten Respekt vor deren Arbeit in diesem repressiven Umfeld! Ihre Schilderungen von den vielen Knüppeln, die ihnen ständig zwischen die Beine geworfen werden, nur weil sie sich politisch und humanitär einsetzen, hat mich sehr bewegt.

Russische NGOs sind keine ausländische Agenten

NGOs werden als „ausländische Agenten“ eingestuft, wenn sie finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten und „politisch tätig“ sind. „Politische Tätigkeit“ ist dabei so vage formuliert, dass darunter im Endeffekt jegliche Kommentierung von Politik oder den Handlungen einzelner Staatsbediensteter fällt.

Was hat das zur Folge für die NGOs selbst? Die finanziellen Mittel schrumpfen immer weiter, MitarbeiterInnen werden eingeschüchtert und das Ansehen der Organisationen wird beschädigt. Aber auch die Menschen, die sich politisch engagieren werden persönlich angegriffen: Uns wurde davon berichtet, wie sie zum Beispiel mit Urinbeuteln, Jodtinkturen etc. beworfen werden, nur wenn sie Veranstaltungen organisieren.

Dennoch strahlten die vier Personen eine unglaubliche Kraft und Leidenschaft aus. Sie betonten immer wieder, wie wichtig zivilgesellschaftliches Engagement ist. Sie werden sich nicht einschüchern lassen und weiterhin für Demokratie und Freiheit arbeiten. Immer mehr Menschen schließen sich ihnen an. Das zu Hören hat mich sehr gefreut! Es ist so wichtig, dass es diese engagierten Menschen gibt und ich danke tausendfach für deren wichtige Arbeit.

Sie haben deutlich gemacht, wie unabdingbar es ist, die Fahne der Demokratie und Menschenrechte hochzuhalten und sichtbar zu machen, indem man diese offensiv vertritt und anspricht. Ihr Wunsch an uns? Diese Themen nicht auszusparen, egal mit wem man in Russland spricht. Das ist genau unsere grüne Linie: Dialog ja – aber wir lassen unsere Werte beim Grenzübertritt nach Russland nicht zurück!

Gedenken an Boris Nemzow

Während Seehofer dann bei Putin weilte, haben der SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher und ich Blumen an der Todesstelle von Boris Nemzow niederegelegt. Der Oppositionelle wurde 2015 in Moskau auf offener Straße erschossen. Bis heute weiß die Regierung angeblich nicht, wer diesen Mord begangen hat. Es ist schön zu sehen, dass Boris Nemzow nicht vergessen wurde und dort jeden Tag viele Blumen abgelegt werden und an ihn gedacht wird.

Gedenken an den Oppositionellen Boris Nemzow, der 2015 in Moskau erschossen wurde

Bessere Zusammenarbeit zwischen Bayern und Russland

Ein Ergebnis zwischen Wirtschaftsminister und Kulturminister: mehr Zusammenarbeit! Auf der wirtschaftlichen Ebene soll es nun eine neue Arbeitsgruppe geben, die den Austausch über die wirtschaftlichen Beziehungen, die Möglichkeiten zur Erschließung der Märkte beider Seiten sowie die Abstimmung eventueller Kooperationen und Projekte als Ziel hat.

Die kulturelle Zusammenarbeit soll verbessert werden, indem ein Memorandum unterzeichnet wurde, das die Förderung unter anderem in den Bereichen Musik, Theater, Tanz, Film, Bildende und dekorative Kunst zum Ziel hat. Außerdem geht es um Austausch von Ausstellungen, Restaurationsarbeit und den Schutz des Kulturerbes. Wir haben ebenso das Innovationszentrum «Skolkowo» besucht. Nach den Plänen der Regierung sollen dort bis zu 40.000 WissenschaftlerInnen und IngenieurInnen arbeiten – bisher befindet sich das Projekt in meinen Augen noch sehr am Anfang.

Skandal: Gezielte CSU-Wahlwerbung bei Russia Today Fans

Während der Reise kam Folgendes ans Licht: Die CSU macht gezielt Wahlwerbung auf Russisch bei Russia Today Fans auf Facebook! Das lässt für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf Schlimmstes befürchten.

Die CSU weiß selbst – und weist ihre Stammklientel im aktuellen Bayernkurier in einem dreiseitigen Artikel darauf hin –, dass Russia Today das Propaganda-Sturmgeschütz Putins ist und gezielt Desinformationskampagnen fährt und Lügengeschichten verbreitet, um den Westen politisch zu destabilisieren. Wenn Seehofer dieses Sturmgeschütz nun auch noch mitbedient, ist das an Doppelmoral nicht mehr zu überbieten! (Die ZEIT berichtete)

Mein Fazit zur Russlandreise

Nach der katastrophalen Performance des Möchtegern-Außenministers Seehofer bei seiner letzten Reise, war diese Reise nicht von peinlichen politischen Aussagen Seehofers geprägt. Ich bin froh, dass das Gespräch mit den NGOs im offiziellen Programm stand, ohne unseren Druck wäre es dazu nicht gekommen!