Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

„Mitte“-Studie

Rechtsextremismus in Bayern als gesamtgesellschaftliches Problem

7. November 2014 in Aktuelles |

Katharina Schulze und Oliver Decker bei der Pressekonferenz

Katharina Schulze und Oliver Decker bei der Vorstellung der Studie

Zusammen mit dem Rechtsextremismusforscher Dr. Oliver Decker habe ich die Ergebnisse der „Mitte“-Studie (pdf) vorgestellt. Die „Mitte“-Studie untersucht extreme Einstellungen in der Bevölkerung. Hierbei gilt: Die richtige Diagnose ist die Voraussetzung für eine wirkungsvolle Therapie! Die bayerische Staatsregierung muss endlich verstehen, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus sich nicht ausschließlich auf repressive Maßnahmen beschränken darf – rechte Einstellungen in der Bevölkerung sind ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Die „Mitte“- Studie

Dass sich rechtsextreme Einstellungen eben nicht nur am Rand der Gesellschaft wiederfinden – wie es die vorherrschende „Extremismustheorie“ suggeriert – zeigen wissenschaftliche Studien seit vielen Jahren. Seit 2002 untersucht die Arbeitsgruppe der „Mitte“-Studien unter Leitung von Privatdozent Oliver Decker und Professor Elmar Brähler an der Universität Leipzig die Verbreitung rechtsextremer Einstellung in Deutschland.

Auf Grundlage von repräsentativen Erhebungen wird so die politische Stimmung in Deutschland dokumentiert. Trotz der beunruhigenden Ergebnisse dieser Studien vermissen wir insbesondere in Bayern eine Kultur der ehrlichen und öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus.

Einige Ergebnisse der Studie für Bayern

Die nun von PD Dr. Oliver Decker vorgelegte „Mitte“-Studie für Bayern zeigt, wie wichtig diese Auseinandersetzung ist. Sie liefert für Bayern genau jene Diagnose, die einer wirkungsvollen Strategie gegen Rechtsextremismus zugrunde liegen muss: Dass das Phänomen Rechtsextremismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, das wir nur mit ressortübergreifenden Maßnahmen und mit der Stärkung bzw. Einbeziehung der Zivilgesellschaft erfolgreich bekämpfen können.

Die Studie untersuchte sechs Dimensionen von rechtsextremen Einstellungen: Die Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus,  Sozialdarwinismus und die Verharmlosung des Nationalsozialismus.

Besonders Aussagen mit ausländerfeindlichem Inhalt fanden bei den Befragten große Akzeptanz:

„Mit 33,1% stimmt jeder Dritte den Aussagen mit ausländerfeindlichem Inhalt zu. Damit liegt die Ausländerfeindlichkeit in Bayern sogar noch höher als in den ostdeutschen Bundesländern (30,5%).“ – S. 9 der Studie

Ausländerfeindliche Einstellungen in Bayern im Vergleich_Mitte Studie

Ausländerfeindliche Einstellungen in Bayern im Vergleich

 

Unter den Gruppen, die besonders von Abwertung betroffen sind, befinden sich – laut Studie – insbesondere Muslime, Asylsuchende sowie Sinti und Roma.

So stimmen 46 % der bayerischen Befragten der These, „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden“, zu (S. 15). Mehr als jede/-r Zweite (53,7 %) hätte „Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten“ (S. 15).

 

Einstellungen zu Islamfeindschaft - Auszug aus der "Mitte"-Studie

Einstellungen zu Islamfeindschaft – Auszug aus der „Mitte“-Studie

Hier finden Sie alle Ergebnisse der „Mitte“-Studie Bayern von Decker/Brähler (pdf)

CSU verkennt den Ernst der Lage

Die CSU-Regierung hat den Ernst der Lage, die sich in der Mitte-Studie erneut bestätigte, bis heute nicht erkannt und versteht Rechtsextremismus ausschließlich als ein sicherheitspolitisches Problem einer kleinen radikalen Minderheit am Rand der Gesellschaft.

Unsere Demokratie ist aber nicht erst dann gefährdet, wenn Gewalttaten von Neonazis öffentliches Aufsehen erregen. Auch rechtsextreme Einstellungen in der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“ gefährden das demokratische Klima. Diese Einsicht fehlt im Regierungshandeln.

Essenzielle Präventionsangebote unterfinanziert

Entsprechend bescheiden sehen auch die Mittel zur Bekämpfung dieses Problems aus. Präventive Angebote sind seit Jahren unterfinanziert, die vielen zivilgesellschaftlichen Initiativen werden bei ihrem vorbildlichen Einsatz für eine offene Gesellschaft im Regen stehen gelassen.

Wir Grüne fordern

  • die Einbeziehung der Wissenschaft und Zivilgesellschaft in die Evaluierung und Überarbeitung des „Handlungskonzepts“;
  • die Einsicht, dass die Bekämpfung von Rechtsextremismus eine Querschnittsaufgabe ist und das Konzept daher ressortübergreifend formuliert und umgesetzt werden muss;
  • ein neu aufgelegtes Förder- und Aktionsprogramm zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren;
  • mehr Geld für schulische und außerschulische Projekte im Bereich der Demokratiebildung;
  • eine eigenständige Opferberatung für Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt und Diskriminierung.

Ich werde weiter dafür eintreten, Strategien zu entwickeln, um einer antidemokratischen Kultur, (Alltags-) Rassismus und Ungleichwertigkeit in Bayern – insbesondere präventiv – entgegenzuwirken.

Zum Weiterlesen: die gesamte Studie

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