Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

Schriftliche Anfrage

Häusliche Gewalt in Bayern

14. Juni 2021 in Anträge und Anfragen, Im Parlament |

Die eigenen vier Wände sind für zehntausende Frauen und Kinder während der Pandemie zur Gefahr geworden. Sie sind auf der Suche nach einem sicheren Platz in Frauenhäusern. Wie eine Schriftliche Anfrage (PDF) von meinen Kolleg*innen Eva Lettenbauer, Johannes Becher und mir zeigt, gibt es in Bayern jedoch immer noch nicht genügend Zufluchtsorte für Frauen und Kinder.

Frauen und Kinder haben ein Recht auf Schutz

Wie meine Anfrage zeigt, ist die Anzahl von Schutzeinrichtungen in Bayern seit 2019 nicht gestiegen. Schon damals gab es – wie 2020 – 39 staatliche Frauenhäuser mit 368 Plätzen für Frauen und mindestens 443 Plätzen für Kinder.

Und das, obwohl der Regierung bekannt ist, dass die Zahl der Opfer in Bayern in den letzten Jahren angestiegen ist – 19.778 im Jahr 2019 im vergleich zu 15.370 im Jahr 2016.

Im vergangenen Jahr hat die bayerische Polizei 20.134 Fälle häuslicher Gewalt erfasst. Jedes Mal, wenn die Zahlen des LKA vorgelegt werden, liegt die Dunkelziffer beträchtlich höher.

Der Staatsregierung sind die Fallzahlen bekannt, an einer Entschärfung der Notlage scheint sie jedoch nicht interessiert. – Katharina Schulze

Es ist ein himmelschreiender Skandal, dass das überlastete Hilfeschutzsystem nicht ausgebaut wird!

Wir dürfen Betroffene nicht alleine lassen

Im ersten Jahr der Corona-Pandemie waren einige Schutzeinrichtungen in Bayern so überfüllt, dass sie manchmal täglich Frauen abweisen mussten.

Genau deshalb wollten wir Grüne wissen, wie oft Frauenhäuser in der Pandemie keine Frauen und Kinder aufnehmen konnten. Es ist erschreckend, dass der Regierung hier keine genauen Erkenntnisse vorliegen.

Wenn Frauenhäuser im letzten Jahr immer wieder Schutzsuchende abweisen mussten, ist dringend Handlungsbedarf gefordert! – Katharina Schulze

Die Finanzierung der Unterstützungssysteme bleibt seit Jahren hinter den steigenden Anforderungen zurück. Das alles ist bekannt. Die Pandemie hat dieses bereits bestehende Problem noch weiter verschärft.

Gewaltschutz ist eine hoheitliche Aufgabe

Die Betreuung der Betroffenen von häuslicher Gewalt ist eine hoheitliche Aufgabe. – Katharina Schulze

Der Schutz von Frauen und Mädchen ist Kern der Istanbul-Konvention, ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt, das 2017 von Deutschland ratifiziert wurde.

Bayern missachtet Istanbul-Konvention

Bayern hält sich nicht an die Vorgaben aus der Konvention, in der „leicht zugängliche Schutzunterkünfte in ausreichender Zahl“ gefordert werden.

Der Europarat empfiehlt, dass es einen Frauenhausplatz pro 7.500 gemeldete Personen geben soll. In Bayern sind es lediglich 0,46% Frauenhausplätze pro Einwohner*innen.

Die Antwort auf meine Anfrage ist sowohl gefährlich, als auch ein Armutszeugnis für das Regierungshandeln in der Corona-Krise. – Katharina Schulze

Staatsregierung negiert strukturelle Gewalt

Um Vorgaben der Konvention zur Gewaltprävention zu erfüllen, soll die zentrale Maßnahme ein neues Online-Portal, welches über Hilfemaßnahmen informiert, sein.

Umfassender Zugang Informationen über Anlaufstellen ist eine Selbstverständlichkeit! Diese angebliche Schutzmaßnahme ist zudem zynisch, da es nicht genügend Schutzräume gibt.

Seit Jahren gesteht sich die Staatsregierung nicht ein, dass häusliche Gewalt strukturell zu unserer Gesellschaft gehört. – Katharina Schulze

Der Staat hat die Aufgabe, Gewaltschutzhäuser vernünftig auszustatten und zu finanzieren.

Grüner Antrag abgelehnt

Genau das forderten wir Grüne bereits zu Beginn der Pandemie ­– Notfall-Maßnahmen ergreifen, wenn Frauen in einer akuten Notlage sind: Kurzfristig die Kapazitäten der Frauenhäuser erhöhen und zusätzliche Finanzmittel bereitstellen.

Leider sieht die Söder-Regierung hier keinen Bedarf und hat unseren Antrag (PDF) abgelehnt.

Hilfe von der Polizei?

Aus eigener freier Entscheidung Anzeige zu erstatten, wagen wenige. Viele Betroffene zeigen niemals die erfahrene Gewalt an – oft auch, da sie fürchten, dass ihnen nicht geglaubt wird. Einige gehen diesen Schritt und rufen die Polizei.

Wie viele Polizeieinsätze gab es im letzten Jahr? Wir wissen von der Söder-Regierung lediglich die Zahl der Opfer aus dem letzten Jahr.

Wir müssen aufzeigen, dass der Hilferuf an die Polizei eine Lösung sein kann, um aus der Gewaltbeziehung auszubrechen. – Katharina Schulze

Keine Unterstützung von hilfesuchenden Kindern

Kinder sind als schwächste Mitglieder unserer Gesellschaft oft die unsichtbaren Leidtragenden.

Im Zuge der Ausgehbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen steigt die Gewalt gegen Kinder.
Das bleibt im Corona-Lockdown meist unentdeckt – für hilfesuchende Kinder kann das im Extremfall lebensbedrohlich werden.

Wie aus meiner Anfrage hervorgeht, waren bei den wenigen Fällen, in denen Frauen Hilfe gerufen haben, in mehr als 40 % der polizeilich bekannten Fälle häuslicher Gewalt, auch Kinder vor Ort.

Im Wissen darüber, dass Kinder „mittelbar entsprechende Gewalterfahrungen erleben mussen“, ist es für die Staatsregierung 2021 scheinbar nicht Grund genug, die Plätze für Kinder auszubauen.

Gewalt gegen Frauen darf kein ungelöstes Problem bleiben

Es reicht nicht aus, allein immer wieder bei der Veröffentlichung der Kriminalstatistik gemeinsam öffentlich Bestürzung auszudrücken, wenn gleichzeitig Frauenberatungsstellen um jede Stelle kämpfen müssen und Kinder und Frauen dringend Schutz benötigen.

Erst wenn ein großes Licht auf die aktuelle Situation geworfen wird, kann sich etwas ändern.

Weitere Informationen entnehmen Sie bitte meiner Schriftlichen Anfrage (PDF).


Wer selbst von häuslicher Gewalt betroffen ist, oder sich als Elternteil überfordert fühlt, findet hier Hilfe:

  • „Nummer gegen Kummer“-Elterntelefon: 0800 111 0 550
  • Kinder und- Jugendtelefon: 116 111
  • Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“: 08000 116016