Gastbeitrag mit Omid Nouripour
Warum die Grenzkontrollen beendet werden müssen
Die SPD-Bundesinnenministerin will die Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenzen weiter fortführen. Die innereuropäischen Grenzkontrollen sind ineffizient, belasten unsere Polizei und verstoßen gegen das Europarecht. Zeit, sie endlich zu beenden! Zusammen mit meinem Kollegen Omid Nouripour, Bundesvorsitzender unserer Partei, habe ich zusammengefasst, warum die Grenzkontrollen der Vergangenheit angehören müssen.
Sieben Jahre Grenzkontrollen
Sieben Jahre gibt es wieder stationäre Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze. Seit sieben Jahren bedeutet das immer wieder kilometerlange Staus und Einschränkungen für Pendler, Touristen, Schulkinder und den internationalen Warenverkehr.
Die Auswirkungen und der Schaden für die Wirtschaft sind enorm, die Belastung für die Polizei auch.
Seit sieben Jahre wälzt sich durch die angrenzenden Gemeinden der Ausweichverkehr und belastet die Anwohnenden. Seit sieben Jahren wird eine der größten Errungenschaften der Europäischen Union, die Reisefreiheit für die Bürgerinnen und Bürger Europas, untergraben – gegen den Willen vieler kompetenter Stimmen, etwa der Gewerkschaft der Polizei.
Schengen-Abkommen sieht keine Binnengrenzen vor
Dabei sieht das Schengen-Abkommen aus dem Jahre 1985 die Abschaffung der Binnengrenzen der Vertragsstaaten vor, also auch von Deutschland und Österreich. Ein Meilenstein der europäischen Integration.
Das Friedensprojekt Europa ermöglicht es heute Menschen ohne Schlagbäume und Passkontrollen zwischen den Staaten zu reisen. Wir können uns heute frei und wie selbstverständlich zwischen europäischen Staaten bewegen, um deren Grenzen noch im letzten Jahrhundert blutige Kriege geführt worden sind.
Dieses Privileg haben viele Menschen auf der Welt nicht. Die Reisefreiheit ist auch deshalb ein hohes Gut, das wir bewahren und beschützen müssen.
Grenzkontrollen in Widerspruch zu europäischem Recht
So sieht es auch der Europäische Gerichtshof (EuGH). Dieser hat im April diesen Jahres klargestellt, dass es Binnengrenzkontrollen im Schengen-Raum im Grundsatz nicht geben darf. Bei einer ernsthaften Bedrohung können sie als letztes Mittel zwar angewendet werden, aber allenfalls für sechs Monate.
Damit stehen die stationären Kontrollen in Bayern an der deutsch-österreichischen Grenze im Widerspruch zu europäischem Recht.
Die CSU ignoriert bewusst solche rechtsstaatlichen Fakten. Denn in Bayern sind die Grenzkontrollen eng verknüpft mit einem Prestige-Projekt der CSU-Landesregierung: Einer eigenen sogenannten „Bayerischen Grenzpolizei“. Gestartet war diese mit der Idee sie mit eigenen grenzpolizeilichen Befugnissen auszustatten.
„Bayerische Grenzpolizei“ ist verfassungswidrig
Davon ist nichts mehr übrig geblieben, denn der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat auf Klage der Landtagsgrünen die Staatsregierung auf den verfassungsrechtlichen Boden der Tatsachen zurückgeholt: Grenzschutz ist und bleibt Bundessache – und zwar an allen Landesgrenzen.
Die „Bayerische Grenzpolizei“ darf zwar so genannt werden, ist aber nichts anderes als die altbekannte Schleierfahndung und leistet lediglich Amtshilfe für die Bundespolizei.
Nur und ausschließlich der Bund darf über den Schutz an Deutschlands Grenzen entscheiden – auch an den deutschen Außengrenzen im Bundesland Bayern.
Müssen europäisches Freiheitsversprechen einlösen
Eine stetige Verlängerung der Grenzkontrollen widerspricht nicht nur den europäischen Werten, sondern auch dem Koalitionsvertrag der Ampel, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Integrität des Schengenraums wiederherzustellen.
Wir sind verpflichtet, das Freiheitsversprechen an die Menschen in Europa einzulösen und den Bedürfnissen der Menschen in den Grenzregionen Rechnung zu tragen.
Es ist deshalb die Aufgabe der Bundesinnenministerin, gegen den Willen der CSU die Errungenschaften der Europäischen Einigung zu verteidigen und den bestehenden Rechtsrahmen einzuhalten.
Mehr Sicherheit auch ohne Grenzkontrollen möglich
Denn die Debatte um die Verlängerung der Grenzkontrollen ist reine CSU-Symbolpolitik, mehr Sicherheit ist auch ohne sinn- und endlose Grenzkontrollen möglich.
Um Sicherheit und Freiheit in Europa zusammenzubringen, brauchen wir mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Polizei- und Sicherheitsbehörden der Mitgliedstaaten. Der Ausbau der gemeinsamen Zentren zur grenzüberschreitenden Polizeiarbeit würde die Zusammenarbeit der beiden Grenzseiten verbessern und effizienter machen.
Eine rechtssichere Alternative zu dauerhaften und wenig effektiven Grenzkontrollen sind anlassbezogene Schwerpunktkontrollen. Dadurch würden auch Pendler*innen deutlich weniger belastet.
Sie würden aber auch die Polizisten der Bundespolizei entlasten, die eine enorme Kraftanstrengung anstellen und Überstunden anhäufen, um die Schichten zu bewältigen. Einsatzkräfte, die an anderer Stelle dringend benötigt werden und z. B. an Bahnhöfen für die Sicherheit der Bürger da sein könnten.
Freiheit und Sicherheit zusammenbringen
Das Fazit ist einhellig: Die Grenzkontrollen sind ineffizient, belasten unsere Polizeibeamt*innen und verstoßen gegen das Europarecht. Professionelle Schlepperbanden sind nach Einschätzung von Experten ohnehin so nicht zu stellen, da sie die bekannten Kontrollpunkte einfach umfahren. Anstatt Polizist*innen an die deutsch-österreichische Grenze zu stellen, setzen wir sie lieber in Deutschland ein.
Freiheit und Sicherheit zusammenzubringen, ist eine zentrale Aufgabe der Politik. Diese Grenzkontrollen schaffen weder ein Mehr an Freiheit noch mehr Sicherheit. Sie sollten beendet werden.
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen als Gastbeitrag auf t-online.