Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

Rede im Landtag

Kinder zuerst und impfen, impfen, impfen

12. November 2021 in Im Parlament |

Am 11.11.2021 haben wir im Plenum des Bayerischen Landtags erneut über Corona diskutiert. Ich habe in der Rede für uns Grüne klar gemacht, worauf jetzt der Fokus gelegt werden muss: Nämlich auf die, die sich solidarisch an der Pandemiebekämpfung beteiligen. Es darf kein Einknicken vor den lauten Querdenker*innen und Anhänger*innen eines vulgären Freiheitsverständnisses geben!

 

Hier meine Rede im Wortlaut:

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen,

es ist heute der 653. Tag seit der ersten Coronainfektion in Bayern – und die Lage ist so ernst wie noch nie: Erneut sind die Corona-Infektionszahlen durch die Decke gegangen. Erneut ist das Personal im Gesundheitsbereich am Limit. Erneut sind die Intensivstationen überlastet, mehr als je zuvor. Erneut müssen Schüler*innen Maske im Unterricht tragen.  

Ich kann die Wut, das Unverständnis und die Müdigkeit von allen verstehen, die sich seit fast zwei Jahren zamreißen. Herr Söder, ihre Politik müsste eigentlich diese Menschen unterstützen, indem sie frühzeitig die Schutzmaßnahmen für den Herbst zur Verfügung stellen.  Das haben sie aber nicht getan.  

“Nur wer Krise kann, kann Kanzler”, erklärten Sie Herr Söder und meinten sich selbst. Natürlich. Herr Söder beglückte Bayern und die Republik mit klugen Ratschlägen, phasenweise täglich.

Aber wo ist Ihre Verantwortung, wo ist die Umsetzung dessen was sie immer vollmundig ankündigen? Sie sind Ministerpräsident in Bayern. Sie sind als Parteichef der CSU noch immer Teil der derzeit regierenden Bundesregierung.

Und jetzt, wo die zehn Landkreise mit den höchsten Inzidenzen in Bayern sind, wo die Pandemie außer Kontrolle gerät, da rufen sie bei der Ampel in Berlin um Hilfe. Da versuchen Sie die Verantwortung abzuschieben zu einer Regierung, die sich noch gar nicht mal gefunden ist. Das ist politisch erbärmlich. Das ist schwach. Bayern braucht eine starke Regierung, die vorausschauend vorbereitet, die erklärt, die auf Testen setzt statt Tests kostenpflichtig macht, die impft was geht und die Menschen in der Pandemie nicht im Stich lässt.

Bilanz von Markus Söder ist mangelhaft

Schauen wir uns doch mal ihre Bilanz in Zahlen an: 

  • Bayern ist bei der 7-Tages-Inzidenz auf Platz 3 hinter Sachsen und Thüringen. 
  • bei den Corona-Toten auf dem traurigen Platz 2 deutschlandweit.  
  • und im Gegensatz dazu bei der Impfquote im hinteren Drittel.

Das ist beschämend. Dafür tragen sie und ihre Regierung Verantwortung. 

Sie haben es erneut nicht geschafft, mit Beginn der vierten Corona-Welle frühzeitig die dringend notwendigen Maßnahmen in Ihrer Regierung durchzusetzen.  

Sie haben es nicht geschafft, dass Ihr Kabinett und ihre nachgelagerten Behörden bisher geltende Schutzmechanismen so umsetzen, dass sie wirken. 

Sie haben es nicht geschafft, die Bürger*innen Bayerns von der Wichtigkeit der Impfung zu überzeugen, wie die niedrigen Impfquoten in Bayern zeigen  

Der Vollzug der Pandemiebekämpfung klappt auch 1,5 Jahre nicht richtig: Angefangen von der mangelnden Digitalisierung in den Gesundheitsämtern, chaotischer Kontaktnachverfolgung, einer trägen Impfkampagne, unzureichende Kontrollen zur Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen, Testdebakel – um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Alles Dinge, die wir Grüne übrigens seit Monaten anmahnen! 

Durch ihre PR-Schnellschüsse und das hin und her verwirren sie mehr als das sie Sicherheit schaffen.  

Aufsummiert zeugt das nicht von Führungsstärke. Was sich durch diese Pandemie zieht ist ihr Aktionismus, der Führung nur vortäuscht. Ihr Motto: Hauptsache vorne, auch wenn’s in die falsche Richtung geht. 

Kinder zuerst

Und was mich besonders ärgert: Ihre vollmundigen Versprechungen, dass Kinder und Jugendliche jetzt aber wirklich im Fokus stehen, sind seit 1,5 Jahren hohle Phrasen. Es muss doch endlich klar sein: Die Kinder schützt vor diesem Virus am Ende nur die Rücksicht anderer.  

Wir hatten in Bayern mit dem längsten Lockdown der Schulen. Die psychische Belastung der Kinder und Jugendlichen ist erheblich gestiegen. Familien waren und Familien sind am Limit und darüber. Und anstatt den Kleinsten wieder mehr Normalität zu geben, indem sie Erwachsenen mehr zumuten, denken sie auch weiterhin die Kinder nicht konsequent mit.  

Anders kann ich mir ihre Entscheidung von vorgestern, 2G für Kinder und Jugendliche, nicht erklären. Mit ihrem ersten Vorschlag haben sie auf einen Schlag 60% der Kinder und Jugendlichen vom Sporttraining, von Musikproben, vom Kinobesuch und vom Schwimmbadbesuch ausgeschlossen. Da die über 12-jährigen aber erst seit dem Spätsommer ein Impfangebot haben und drei Mal die Woche getestet werden muss 3G reichen.

Nach vielfachem Druck, auch von uns, sind sie jetzt wieder zurückgerudert – aber auch nicht vollständig. Ihre Regelung geht z. B. nur bis Ende des Jahres, dabei hat auch die Stiko eine klare Haltung: Kinder dürfen nicht von sozialer Teilhabe ausgeschlossen werden, nur weil sie nicht geimpft sind.

Deswegen muss die Regelung über das Jahr hinaus gelten, endlich für noch mehr Sicherheit PCR-Pooltests an allen Schulen eingeführt und eine Aufklärungskampagne für die Impfung ab 12 Jahren aufgesetzt werden – inklusive der Möglichkeit des Impfangebots an Schulen. Übrigens Dinge, die wir Grüne seit Monaten fordern. Es macht mich so wütend, wie langsam sie und ihre Regierung sind.  

Impfen, impfen, impfen

Es ist nämlich nicht die Aufgabe der Kinder und Jugendlichen, die Ungeimpften zu schützen. Sie dürfen nicht darunter leiden, dass viele Erwachsene im Freistaat sich nach wie vor weigern ihr Impfangebot wahrzunehmen.

In unserem Land bekommen Impfverweigerer mehr Aufmerksamkeit und Rücksicht als alle Kinder zusammen. Das halte ich für zutiefst falsch.  

Es ist unsolidarisch, wenn Erwachsene, die sich impfen lassen können, das immer noch nicht tun. Impfen ist weiterhin unser Ticket aus der Pandemie und verhindert schwerer Verläufe. Jede und jeder sich impfen lassen kann, sollte es tun, der Impfstoff ist sicher und millionenfach erprobt. Impfen bedeutet Freiheit und Impfverweigerung schränkt unsere Freiheit ein.

Ich habe keinerlei Verständnis für Verschwörungsschwurbler, Wissenschaftsfeinde und Corona-Leugner. Mit Sorge beobachte ich außerdem deren steigende Radikalisierung – sie sind ein Sicherheitsrisiko für unsere Republik und ihnen muss konsequent entgegengetreten werden.  

2G für Erwachsene und zwar sofort

Kolleginnen und Kollegen, Erwachsene können und müssen mehr schultern, wenn es um die Pandemiebekämpfung geht. Deswegen muss es für Erwachsene wieder heißen: Kontakte einschränken, Homeoffice wo es geht und wir Grüne fordern 2G für Erwachsene überall dort wo es rechtlich möglich – z. B. auch als Kunde oder Kundin bei körpernahen Dienstleistungen und in der Gastronomie – und das so lange die Corona-Ampel auf rot ist und zwar ab sofort.

Denn: Hier 2G, dort 3Gplus, das versteht man doch irgendwann nicht mehr  – und das bringt weniger als konsequent 2G, wo es irgend möglich ist.  

Boostern ist wichtig

Hier im Landtag fordert die CSU heute, man möge doch die Booster-Impfungen beschleunigen. Schön und gut, aber wer hat zum 1 Oktober die staatlichen Impfzentren auf ein Minimum runtergefahren, so dass Personal entlassen werden musste? Das waren sie Herr Söder! Sechs Wochen später stellen sie fest, dass die Hausarztpraxen eine koordinierte Drittimpfung doch nicht alleine stemmen können und jetzt heißt es Impfzentren wieder hochfahren, Personal erneut suchen und zwei Wochen warten bis Impfstoff dort ankommt.

Diese Zeit haben wir nicht und ein weiteres Beispiel von ihrer mangelhaften Pandemiebekämpfung.  Auch der mangelnde Schutz der vulnerablen Gruppen geht auf ihr Konto: Drittimpfungen im Alten- und Pflegeheimen liegen bei 10%. Sie und ihre Regierung hatten den ganzen Sommer über Zeit, das Logistisch zu planen und zu unterstützen – und es ist nicht passiert!  

Wir erwarten, dass sie zeitnah alle Bürgerinnen und Bürger in Bayern über 12 Jahren direkt kontaktieren und über die Impfungen aufklären. In Portugal wurden alle Bürger*innen des Landes mindestens dreimal persönlich zur Impfung eingeladen. Heute sind über 86 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Es geht also auch anders.  

Schon letztes Jahr wurde deutlich, welche Länder mit der Bekämpfung der Pandemie erfolgreicher sind, nämlich die, die Maßnahmen schneller, konsequenter und digitaler umsetzen, besser erklären und ihre Bevölkerung mitnehmen. Diese Geschichte wiederholt sich auch diesen Winter. 

Abschluss

Die Pandemie ist ein Charaktertest – in diesen Tagen wohl mehr als je zuvor. Wer qua Amt Verantwortung hat, muss diese auch übernehmen – und nicht ständig mit dem Finger auf andere zeigen. Führungsstärke, Überzeugungskraft, Umsetzungswille – das braucht Bayern von seiner Regierung in dieser schwierigen Lage.

Ein Fokus auf die, die sich solidarisch an der Pandemiebekämpfung beteiligen und kein Einknicken vor den lauten Querdenkern und Anhänger*innen eines vulgären Freiheitsverständnisses. Das gilt übrigens auch für die FDP die vor ein paar Wochen es noch nicht erwarten konnte einen Freedom Day auszurufen – gut, dass das nicht gemacht wurde. 

Geben Sie Herr Söder also den Menschen endlich Halt und Zuversicht, machen sie ihre Hausaufgaben und stellen sie die nötigen Schutzmaßnahmen bereit – das ist ihr Job als Ministerpräsident!  

Weitere Informationen entnehmen Sie bitte dem grünen Dringlichkeitsantrag (PDF) „Freizeitangebote für Schülerinnen un Schüler auch bei roter Krankenhausampel ermöglichen – PCR-Pooltests & Impfkampagne ausweiten!“.