Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

Rede im Plenum

Grüner Gesetzentwurf: Antidiskriminierungsgesetz für Bayern

1. Dezember 2021 in Im Parlament |

Meine Kollegin Gülseren Demirel und ich haben heute den Gesetzentwurf für ein Bayerisches Landesantidiskriminierungsgesetz (PDF) ins Plenum des Landtags eingebracht. Wir wollen, dass in Bayern alle Menschen frei und sicher leben können. Neben einer zentralen Antidiskriminierungsstelle fordern wir u. a. einen Landesaktionsplan gegen Rassismus, Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (PDF) und spannen so ein Sicherheitsnetz für alle Menschen auf!

Meine Rede:

 

Mit unserem Landesantidiskriminierungsgesetz spannen wir ein Sicherheitsnetz für alle Menschen in Bayern auf.

Denn Bayern ist vielfältig: Über 13 Millionen Menschen nennen Bayern ihr zu Hause. Gut die Hälfte davon sind Frauen. Um die 15 % der Bürger*innen haben eine Migrationsbiografie. Über 500.000 sind Muslime, ungefähr 18.000 sind Jüd*innen. Etwa 5 bis 7 % sind queer. 1,5 Millionen Menschen in Bayern haben eine Schwerbehinderung.

Aber machen wir uns nichts vor: Nicht alle 13 Millionen Menschen leben diskriminierungsfrei und sicher bei uns. Um es mal salopp auszudrücken: Wenn du nicht weiß, heterosexuell und ein Mann bist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass du Diskriminierungen in deinem Leben erfährst, sehr hoch. Das zeigen die Zahlen eindeutig:

  • Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern registrierte im letzten Jahr einen Anstieg um mehr als 30% von antisemitischen Vorfällen im vgl. zum Jahr davor
  • 31 % der Teilnehmer*innen unserer Studie „Queeres Leben in Bayern gaben an in Ämtern und anderen Verwaltungseinrichtungen diskriminiert worden zu sein.
  • 79 Mal haben sich Frauen 2020 an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt und berichtet, dass sie aufgrund einer Schwangerschaft nicht eingestellt, ihr Arbeitsvertrag nicht verlängert oder ihnen gekündigt wurde oder sie anderweitig schlechtergestellt wurden.

Kolleginnen und Kollegen, das geht so nicht.

Wie Menschen von anderen Menschen behandelt werden – benachteiligt, herabgewürdigt, zurückgesetzt – das ist keine Privatsache.

Es ist vorrangig Aufgabe des Staates, das höchste Gut des Menschen, seine Würde, zu schützen. Wir wolle ein Bayern, das frei von Diskriminierung ist!

Da von der Bayerischen Staatsregierung in diesem Bereich seit Jahren außer Beschwichtigungen wenig kommt, nehmen wir Grüne jetzt das Heft des Handelns in die Hand.

Unsere Handlungsstrategie gegen Diskriminierung und jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit enthält drei zentrale Bausteine:

(1) Landesaktionsplan gegen Rassismus, Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

(2)  Einrichtung einer Bayerischen Landesantidiskriminierungsstelle

(3) Landesantidiskriminierungsgesetz für Bayern – welches wir heute hier einbringen.

Denn der Bayerische Gesetzgeber, also wir, ist kompetenzrechtlich dafür zuständig, den Diskriminierungsschutz in den öffentlichen Einrichtungen des Freistaates (z.B. Schulen, Gerichten, Behörden, Polizei) zu gewährleisten.

Unzählige Beratungsstellen haben uns berichtet, dass sie vielen Bürger*innen, die durch staatliches Handeln diskriminiert wurden, ohne gesetzliche Grundlage nicht weiterhelfen können.

Faktisch sind Bürger*innen, die in einer Behörde rassistisch beleidigt werden in Bayern weniger geschützt, als Bürger*innen, denen wegen ihrer Hautfarbe der Zutritt zu einem Club verweigert wird. Diskriminierungsschutz darf jedoch an den staatlichen Türen nicht halt machen.

Im Gegenteil: öffentliche Stellen müssen beim Diskriminierungsschutz Vorbild sein!

Unser Gesetzentwurf sieht zur Stärkung von Betroffenenrechten u.a. folgende Punkte vor:

  • Spezieller Schadensersatzanspruch bei Diskriminierung durch öffentliche Stelle à es haftet immer die Stelle, nicht der/die Bedienstete
  • einen verbesserten Rechtsschutz durch ein Verbandsklagerecht
  • Wir weiten die Diskriminierungsgründe aus und haben u.a. auch den sozialen Status, chronische Erkrankung, antiziganistische Zuschreibung in das Gesetz aufgenommen.

Und wenn jetzt von Ihnen wieder kommt: Braucht es das? Dann sage ich ganz klar: Ja, das braucht es!

In Berlin wurde im letzten Jahr das erste Landesantidiskriminierungsgesetz verabschiedet. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg soll ein solches noch in der laufenden Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden. In Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Berlin wurden in den letzten Jahren Aktionspläne gegen verschiedene Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ausgearbeitet.

Es ist mehr als an der Zeit, dass Bayern ein Sicherheitsnetz für die Würde aller Menschen aufspannt.