Schriftliche Anfrage
Mindestens 1.024 Bayerinnen und Bayern stehen unwissentlich auf rechten Feindeslisten
Spätestens seit dem Mord an Walter Lübcke sind die sogenannten Feindeslisten der rechtsextremen Szene bekannt. Die Behörden betrachten sie eher als rechtsextreme Informationssammlung, ich halte sie für hochgefährlich für die Menschen, die dort als „Feinde“ aufgelistet sind. Über tausend Menschen aus Bayern stehen auf diesen Feindeslisten und wissen nichts davon, wie meine Schriftliche Anfrage (PDF) zeigt. Sie müssen informiert werden!
Insgesamt befinden sich je nach Zählweise bundesweit zwischen 76.000 und 85.000 Personen auf den bisher bekannten 15 rechtsextremen Feindeslisten. Dies sind erschreckend viele Personen. Ein Beispiel um es konkret zu machen: Aus Bayern werden insgesamt 1.024 Personen auf der Feindeslisten von ‚Nordkreuz‘ und dem rechtsextremem Bundeswehroffizier Franco A. aufgelistet.
Von den genannten 1.024 Bayerinnen und Bayern wurde bisher niemand über seine Listung auf den rechten Feindeslisten informiert – trotz angeblicher Einzelfallprüfung und obwohl das Bundeskriminalamt die entsprechenden Daten bereits im Jahr 2017 an das Landeskriminalamt Bayern übergeben hat und darum bat, die gelisteten Personen in geeigneter Weise zu informieren und zu sensibilisieren.
Die Betroffenen haben das Recht auf Information! Sie müssen auch vor dem Hintergrund der aktuellen Bedrohung durch rechten Terror schleunigst darüber informiert werden, dass sie auf den „Feindeslisten“ stehen. – Katharina Schulze
Im Zuge der Selbstenttarnung des NSU wurden im Jahr 2011 alle 1055 betroffenen Personen in Bayern informiert, obwohl auch damals keine konkrete Gefährdung angenommen wurde. Meine Anfrage zeigt: Die Staatsregierung kann nicht erklären, warum sie im aktuellen Fall anders verfährt!
Die Tatsache, dass die Liste ‚Nordkreuz‘ immer noch nicht der offiziellen Kriminalstatistik im Bereich „rechts“ zugeordnet wurden, halte ich zudem für einen Skandal.
Zum Hintergrund: Mittlerweile hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die Gruppierung „Uniter“ zum Prüffall erklärt. Gegen Franco A. und ‚Nordkreuz‘ ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Auch der ermordete Walter Lübcke befand sich anscheinend auf den Listen von „Nordkreuz“, wie die Antwort der Staatsregierung unter 5b) zeigt. Trotzdem gab es auch nach dem Mord an Walter Lübcke keine Korrektur der Gefährdungseinschätzung. Es fehlen offensichtlich klare rechtliche Vorgaben und Kriterien für den Umgang mit rechten Feindeslisten.
Hier besteht dringender politischer Handlungsbedarf und das Wissen über die Listen muss den Sicherheitsbehörden ausreichen, um die Feindeslisten als rechtsextreme Taten einzuordnen! – Katharina Schulze
Weitere Details zu den Feindeslisten in Bayern
- Auf den 15 im Anhang aufgeführten Listen (PDF) befinden sich insgesamt mindestens 76.721 Personen. Bei einigen sind nur die Betroffenen aus Bayern ausgewiesen, so dass es bundesweit mehr als 85.000 Personen sind.
- Bei den meisten Listen liegen den zuständigen Behörden keine Erkenntnisse über die Verfasser*innen vor – oder die Ermittlungen dauern noch an.
- Bei ‚Nordkreuz‘ sind insgesamt 1.023 Personen aus Bayern gelistet. Die Listen werden nicht unter PMK-rechts geführt, sondern unter nicht zuzuordnen.
- Im Gegensatz zu den 1.053 Personen, die auf den Listen des NSU standen, wurde im Fall ‚Nordkreuz‘ bisher niemand informiert, mit der Begründung, beim NSU handele es sich um einen „herausragenden Einzelfall“, bei ‚Nordkreuz‘ anscheinend nicht. Auch beim NSU gab es damals keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung der betroffenen Personen, trotzdem erhielten alle ein Informationsschreiben.
- Im Fall von Nordkreuz und Franco A. geht es immerhin um die Vorbereitung einer „schweren staatsgefährdenden Straftat“ (Die Bundesanwaltschaft ermittelt). Angeblich hat eine Einzelfallbewertung der möglichen Gefährdung stattgefunden. Informiert wurde aber bisher keine einzige Person, die auf den Listen steht.
- Auch die bei dem SEK-Polizisten Marco G., dem Administrator der Nordkreuzgruppe, im Mecklenburg-Vorpommern gefundenen Waffen, Leichensäcke und der Löschkalk für Massengräber, haben angeblich nichts an der Gefährdungsbewertung durch die Behörden geändert.
- Die Unterlagen wurden teilweise schon 2017 durch das Bundeskriminalamt an das bayerische Landeskriminalamt verschickt. Bundeskriminalamt-Präsident Münch sprach im Innenausschuss des Bundestages davon, dass die zuständigen Landesbehörden die betroffenen Personen in geeigneter Weise informieren und sensibilisieren sollten. Das ist in Bayern offenkundig nicht geschehen.
- In Mecklenburg-Vorpommern wurden alle 1200 Personen, die auf den Listen von Nordkreuz stehen, vom Innenminister informiert. In Bayern nicht, obwohl es keine Unterschiede in der Gefährdungsprognose gibt. Diese unterschiedliche Herangehensweise ist nicht nachvollziehbar.
Alle Details können Sie meiner Schriftlichen Anfrage (PDF) und der Anlage zur Anfrage (PDF) entnehmen.