Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

Grüne Antworten auf die terroristische Bedrohung

Die Freiheit sicher machen

14. Januar 2016 in Im Parlament |

Angesichts der Anschläge durch Terroristen und Rechtsextremisten müssen wir unsere Freiheit sicher machen. Für uns Grüne ist die Freiheit ganz klar ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Wir sind überzeugt, dass unsere Demokratie und unser Staat stark genug sind, um mit der Bedrohung fertig zu werden, ohne seine Grundlagen aufzugeben. Angriffe auf die Demokratie dürfen wir nicht mit der Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten begegnen. Hier unsere Position (pdf).

Kein Wunder, dass vielen mulmig ist

Der Islamistische Terror hält die Welt in Atem. Die Bilder von Paris, Beirut, Brüssel oder Kopenhagen, haben alle im Kopf. Deutschland ist bislang verschont geblieben, eine abstrakte Anschlagsgefahr besteht dennoch seit 9/11. Natürlich nimmt auch die Verunsicherung in der Bevölkerung zu. Wird es auch bei uns Anschläge geben? Wie ist die gesamte Gefahrenlage, wenn auch bei uns vorsichtshalber Fußballspiele abgesagt oder auch Bahnhöfe abgeriegelt werden? In dieser Diskussion drohen die anderen realen Gefahren aus dem Fokus zu geraten: Rechtsextreme Straftaten sind massiv angestiegen, täglich finden rassistische Übergriffe und Angriffe auf Flüchtlingsheime statt.

Mehr Sicherheit, aber aufpassen auf die Freiheit

Wir Grüne wollen größtmögliche Sicherheit für die Menschen in Bayern. Dazu ist besonnenes und konsequentes Handeln gefordert. Die Abwehr terroristischer Gefahren ist Aufgabe der Sicherheitsbehörden – im Rahmen der bestehenden rechtsstaatlichen Grenzen. Aufgabe der Politik ist es, mit den Mitteln des Rechtsstaates für das größtmögliche Maß an Sicherheit zu sorgen, Grundrechte zu schützen und Bedrohungen effektiv abzuwehren.

Keine Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten

100%-ige Sicherheit kann kein Staat bieten. Deshalb dürfen die demokratischen Grund- und Freiheitsrechte nicht eingeschränkt werden. Damit spielt man nämlich denen in die Hände, die unsere Gesellschaft bedrohen. Die Sicherheit muss im Dienste der Freiheit stehen. Deshalb fordern wir Grüne:

1. Genaue Analyse der Bedrohung

Nur wenn wir verstehen, warum und wie Attentäter sich unterhalb des Radars der Sicherheitsbehörden organisieren können, können wir die Terrorismusprävention verbessern. Noch immer beruhen viele Schlussfolgerungen aus z.B. aus den Attentaten von Paris auf einer vagen Erkenntnislage.

2. Flüchtlingsfrage nicht instrumentalisieren

Terroristische Anschläge dürfen unseren Umgang mit Flüchtlingen nicht beeinflussen. Wichtig ist eine effektive Registrierung der Ankommenden und eine gut ausgestattete Polizei, die in der Lage ist ihre Arbeit mit genügend und gut ausgebildeten Personal zu bewältigen.

3. Konsequente Anwendung geltenden Rechts statt hilflosem Aktionismus 

In unserem Rechtsstaat gibt es genügend klare und verbindliche strafrechtliche Regelungen – diese müssen nur konsequent angewendet werden. Selbstmordattentäter lassen sich durch eine Erhöhung des Strafmaßes nicht beeindrucken. Populistischer CSU-Aktionismus hilft nichts.

4. Verfassung schützen – Abschaffen der Vorratsdatenspeicherung

Die anlasslose und massenhafte Speicherung privater Kommunikationsdaten greift tief in die Grundrechte der BürgerInnen ein. Zudem ist sie bei der Terrorismusprävention weitgehend wirkungslos (siehe Frankreich und Norwegen). Die CSU-Idee, dass der Verfassungsschutz auch noch auf die Vorratsdaten zugreifen kann ist verfassungswidrig. Das lehnen wir ab.

5. Zielgerichtete Gefahrenabwehr

Wir brauchen wirksame Maßnahmen gegen die dezentrale und vernetzte Organisation von Terroristen. Hier muss der Schwerpunkt auf einer passgenauen und engmaschigen Überwachung konkreter Verdachtsmomente liegen.

6. Ausreisesperre statt „Terroristen-Perso“

Der Terroristen-Perso löst keines der Probleme der aktuellen Terrorgefahr und ist rechtstaatlich problematisch. Auch ohne „Terroristen-Perso“ besteht die Möglichkeit, die Ausreisesperre mutmaßlicher Terroristen im Grenzfahndungsbestand auszuschreiben. Das ist zu tun, außerdem effektive Ausreisekontrolle an den EU-Grenzen.

7. Ablehnung der EU-Fluggastdatenspeicherung

Geplant ist, dass alle Passagierdaten von Flügen in die Europäische Union über 5 Jahre gespeichert werden sollen. Diese Datenspeicherung beträfe alle Menschen die in ein Flugzeug steigen. Die Bevölkerung würde unter Generalverdacht gestellt.

8. Europäische Grenzsicherung ist europäische Aufgabe

Wir fordern eine europäische Lösung, um eine effektive und rechtsstaatliche Kontrolle der Schengen-Außengrenzen sicherzustellen. Dabei erteilen wir populistischen Forderungen nach einem Aussetzen der Reisefreiheit innerhalb des Schengen-Raums oder gar der Errichtung neuer Grenzzäune um nationale oder europäische Grenzen eine klare Absage.

9. Kein verfassungswidriger Einsatz der Bundeswehr im Inneren

Unsere Verfassung schreibt eine strenge Aufgabentrennung zwischen Bundeswehr und Polizei vor: Gefahrenabwehr und Strafverteidigung sind die Aufgaben der Polizei, die Bundeswehr dient vor allem der Landesverteidigung. Schon jetzt kann die Bundeswehr der Polizei bei schweren Katastrophenfällen im Rahmen der Amtshilfe unterstützend zu Seite stehen.

10. Verbesserungen bei Polizei und internationale Zusammenarbeit

Nur eine personell und ressourcenmäßig gut ausgestattete Schutz- und Kriminalpolizei die sich auch in speziellen Bereichen (bspw. Cybercrime) mit exzellenten Expertinnen und Expertinnen verstärkt, ist in der Lage die vor ihr liegenden Herausforderungen zu meistern. Wir fordern die Einstellung von zusätzlichen Tarifbeschäftigten zur Entlastung der PolizeibeamtInnen an hierfür geeigneten Stellen.

Internationalem Terror kann man nur mit einer europäischen Polizei- und Sicherheitspolitik begegnen. Gleichzeitig darf das Trennungsgebot von Polizei und Verfassungsschutz auch im Zuge einer stärkeren internationalen Vernetzung der Sicherheitsbehörden nicht angetastet werden.

11. Prävention und Deradikalisierung stärken

Der beste islamistische Terrorismusschutz sind wirksame Präventions- und Deradikalisierungsstrategien im Vorfeld. Wir setzen uns für den Aufbau von kommunalen Netzwerken ein – mit Strategien und Methoden, die zu den Jugendlichen und dem Milieu vor Ort passen. Muslimische Verbände sind dabei für uns wichtige Partner. Darüber hinaus fordern wir ein spezielles Programm für Frauen und Mädchen.

Auch im Einsatz gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit brauchen wir in Bayern endlich frühzeitige und präventiv einsetzende Maßnahmen.

12. Konsequentes Vorgehen gegen islamistischen Terrorismus

Bereits bestehende Gesetze und rechtliche Möglichkeiten müssen, gerade jetzt, konsequent angewendet werden. Islamistische Strukturen müssen lückenlos aufgeklärt und überwacht werden. In den Justizvollzugsanstalten muss die Radikalisierung bereits Inhaftierter verhindert und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft gefördert werden – unter Einbeziehung muslimischer Seelsorge.

13. Konsequentes Vorgehen gegen Rechtsextremismus

Dem massiven Anstieg rechtsextremistischer Taten müssen die bayerischen Sicherheitsbehörden mit einer Prioritätensetzung entgegen treten. Ermittlungs- und Fahndungsdruck auf die rechte Szene muss weiter erhöhen werden, um damit die bereits begangenen Taten schneller aufzuklären und potenzielle Nachahmer abzuschrecken. Die Staatsregierung muss darüber hinaus alle ihr möglichen Maßnahmen ergreifen, um ein Verbot der neonazistischen Gruppierungen „Die Rechte“ und „Der III. Weg“ zu auf den Weg zu bringen.

Sicherheitspolitik ist Gesellschaftspolitik

Sicherheitspolitik ist immer auch Gesellschaftspolitik. Eine 100 %-Sicherheit wird es nie geben. Wir dürfen jetzt nicht zulassen, dass unsere freiheitliche Gesellschaft durch Rassisten und Terroristen beschnitten wird. Gleichzeitig haben die BürgerInnen ein berechtigtes Sicherheitsbedürfnis:

Die Balance herzustellen zwischen so vielen Sicherheitsmaßnahmen wie nötig, aber so wenigen wie möglich ist unsere Aufgabe.


Hier das gesamte Positionspapier (pdf): „Die Freiheit sicher machen – Grüne Antworten auf die terroristische Bedrohung“. 

Mehr Infos zu dem Thema