Globale Krisen bewältigen
Auf in eine klimaneutrale und gerechte Zukunft!
Die letzten Monate zeigen es: Wir können die Corona-Krise in Deutschland eindämmen, indem wir wissenschaftlich fundiert und konsequent nach Faktenlage handeln. Transparente und nachvollziehbare Kommunikation ist dafür wesentlich – und eine gemeinsame Kraftanstrengung der gesamten Bevölkerung. Die Kosten dieser Pandemie sind immens und belasten Generationen und die Gesellschaft unterschiedlich. Dennoch verdeutlicht uns Corona, wie wir Gefahren gemeinsam und demokratisch begegnen können. Obwohl immer wieder in den Medien Bilder von Demonstrationen gezeigt werden, bei denen Menschen die Corona-Bekämpfungsmaßnahmen anzweifeln und Verschwörungsmythen verbreiten, darf man nicht vergessen: Fast 60% der Bevölkerung steht hinter den Vorgaben zur Eindämmung der Pandemie, zeigt der ARD-Deutschlandtrend vom August 2020. Das ist ein positiver Wert und stimmt optimistisch, dass wir auch andere Herausforderungen gemeinsam meistern können. Denn auch die Bewältigung der Klimakrise erfordert ein konzentriertes Vorgehen. Sie ist in den vergangenen Monaten nicht weniger bedrohlich geworden, viele Menschen sorgen sich – trotz Corona – zu Recht.
Es macht deswegen keinen Sinn, den Klimaschutz und die Pandemiebekämpfung gegeneinander auszuspielen, beides muss gemacht werden. Das fordern die Menschen auch ein, wie der ARD-Deutschlandtrend im Juli 2020 bestätigt: Die Hälfte der Deutschen befürwortet, dass Deutschland sich im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft besonders um den Klimaschutz kümmern soll. Anschließend, mit knapp 40% Zustimmung, wird der Kampf gegen die Corona-Folgen genannt. Weitere Studien, wie die des Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung vom Juli 2020, erheben eine noch deutlichere Zustimmung für die Dringlichkeit von Klimaschutz und der Notwendigkeit, Wirtschafts- und Klimapolitik unter den aktuellen Umständen zu verknüpfen.
Man sieht: In der Bevölkerung ist Rückhalt für diese Maßnahmen vorhanden, jetzt müssen aber die erforderlichen Schritte auch gemacht werden! Es ist an Zeit, die Anstrengungen zu verbinden und die Synergien zur Bekämpfung der verschiedenen Krisen nutzen. Ich bin überzeugt: Nur wenn wir in Generationen denken, wenn wir mehr Klimaschutz wagen, haben wir eine Chance auf eine klimagerechte Zukunft. Dabei ist entscheidend, dass auch die Perspektiven von Frauen in der Bekämpfung der Klimakrise mehr gehört werden – sie sind schon heute anders und stärker betroffen von Klimafolgen. Um unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, gilt es jetzt beherzt zu handeln.
Krisen wissenschaftlich fundiert demokratisch lösen
Manche sagen, dass die Corona-Pandemie dem Klima nützt und der Natur eine Pause verschafft. Ich halte das für zynisch. Bei so einer Aussage werden die Augen davor verschlossen, dass viele Menschen bisher gestorben sind und viele Genesene sehr gelitten haben oder weiter mit den Folgen der Erkrankung ringen. Viele Firmen und Organisationen improvisieren zwar kreativ mit den Hygieneregelungen, Home Office und weniger Dienstreisen, gleichzeitig kämpfen sie jedoch um ihr wirtschaftliches Überleben. Ich kann die Zukunftssorgen nachvollziehen und auf diese muss reagiert werden.
Während die Welt auf einen Impfstoff gegen COVID-19 wartet und mit geballter Kraft daran gearbeitet wird, können wir bei der globalen Erderhitzung nicht auf einen Impfstoff hoffen. Da hilft nur die konsequente Reduzierung von CO2. Die schockierende Berichte aus Sibirien, der Arktis und auch die diesjährige Sommerhitze zeigen, dass die Klimakrise rasant an Geschwindigkeit zunimmt. Solche Hitzewellen und extreme Wetterereignisse werden das neue Normal sein. Der Handlungsbedarf steigt spürbar.
Lernen aus der Krise
Bei der Corona-Krise haben wir in Deutschland bisher gemeinsam schier Unmögliches erreichen können. Bilder von überfüllten Krankenhäusern wie in anderen Ländern blieben uns zum Glück erspart. Wir sehen, dass unsere Demokratie in Krisenzeiten funktioniert: Um die Ausbreitungskurve abzuflachen, packt die Zivilgesellschaft solidarisch mit an, die Wissenschaft forscht mit Hochdruck, die Exekutive handelt, die Opposition kontrolliert, bringt Vorschläge ein und sorgt für Transparenz, die Gerichte kippen unangemessene Verordnungen der Regierungen, die Presse berichtet umfangreich. Man sieht: Die Demokratie schlägt kräftig und kann Krisen begegnen. Dieser gemeinsame Fokus, orientiert an Fakten und am Gemeinwohl, ist für die kommenden Monate der Pandemie ebenso nötig wie für eine klimaneutrale Zukunft.
Selten hat Deutschland so viel auf Virologinnen und Virologen, Ärztinnen und Ärzte und das Robert-Koch-Institut geschaut. Die Politik hat uns allen auf diesen wissenschaftlichen Grundlagen große Einschränkungen zugemutet, die Bevölkerung verfolgte mit regem Interesse Pressekonferenzen, Liveticker und Podcasts zu neuesten Erkenntnissen und Beschlüssen und konnte so nachvollziehen, warum welche Maßnahmen nötig wurden. Erfreulich, dass der Medienkonsum im Frühjahr 2020 stark anwuchs und so viele Menschen in der Pandemie informiert bleiben! Eine transparente und verständliche Kommunikation ist in Krisen der Schlüssel, ebenso wie das Verständnis darüber, wie Wissenschaft arbeitet und das Aushalten von Unsicherheiten. Genau dieses Vorgehen und das daraus resultierende Vertrauen in die Expertise der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, unabhängige Medien und politische Rahmenbedingungen brauchen wir für die Bekämpfung der Klimakrise auch.
Deutschland hat sich verpflichtet, die Ziele des Pariser Klimaabkommens mit einer maximalen Erwärmung der Erde um höchstens 2°C bis zum Jahr 2100 einzuhalten. Berechnungen führender Klimawissenschaftler ergeben, dass wir weltweit nur noch ein sehr begrenztes Budget für die Emission von Treibhausgasen haben, wenn dieses Ziel eingehalten werden soll. Es besteht in der internationalen Staatengemeinschaft Einigkeit, dass die Industrieländer wegen der wesentlich höheren Pro-Kopf-Emissionen ihren Ausstoß an Klimagasen bis 2050 um mindestens 95 Prozent gegenüber 1990 senken müssen. Ab dem Jahr 2050 muss sich daher weitgehend ein klimaneutrales Wirtschaften etabliert haben. Man sieht also: Wir haben kein Erkenntnisproblem bei der Bekämpfung der Klimakrise, sondern ein Umsetzungsproblem.
Und wie ist unser Zwischenstand?
Trotz einiger positiver Entwicklungen verfehlen wir sehenden Auges unsere Klimaziele, zum Beispiel im Energie- und Mobilitätsbereich. Das Pariser Abkommen weist uns zwar den Weg, aber wir müssen ihn selbst beschreiten. Wir müssen ambitionierter werden. Klimaschutz ja oder nein, daran wird sich unser Wohlstand zukünftig bemessen. Ich bin überzeugt: Wir können es uns nicht leisten, weiter Zeit zu verlieren.
Weil die Zeit drängt, müssen die Schritte aus der Corona-Krise hinein in eine nachhaltigere Zukunft mutiger sein, als nach der Banken- und Finanzkrise im Jahr 2008. Diesmal müssen die Chancen, die eine solche Krise bietet, genutzt werden: Die Politik muss die Rahmenbedingungen für die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft setzen. Nach den Soforthilfen der letzten Monate kommt die Zeit für staatliche Innovationsförderung, Weiterbildung, klare Perspektiven für Unternehmen und Beschäftigte. Das Geld, das wir jetzt mobilisieren, muss unsere Wirtschaftsweise auf klimaneutrale Technologien und digitale Innovation umbauen. Nur so bleiben wir wettbewerbsfähig und nachhaltig erfolgreich.
Sozial-ökologische Transformation anpacken
Wir brauchen eine deutsche Offensive für Investitionen, Innovationen und Modernisierung. Ich plädiere für einen Investitionsfonds, der über zehn Jahre wirkt. Mit 500 Milliarden Euro soll der Klimaschutz vorangebracht, die Infrastrukturen der Zukunft geschaffen und Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden. Es bedarf in diesen Zeiten steuerlicher Hilfen für Unternehmen und gezielter Anreize für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung. Meine Partei, die Grünen, fordern daher staatliche Investitionen in den Klimaschutz, also in die Verkehrswende, in die Gebäudesanierung und in eine Wasserstoff-Infrastruktur, zu priorisieren. Wir brauchen außerdem massive Investitionen in die Digitalisierung von Bildung und die Sanierung von Schulen, mehr sozialen Wohnungsbau, eine Stärkung des Gesundheitssystems und den bundesweiten Ausbau von schnellem Breitbandinternet und flächendeckendem Mobilfunk. Alle diese Maßnahmen müssen mit Investitions- und Planungssicherheit realisiert werden. Die Grünen sind in der aktuellen Zeit ganz klar: Es kann öffentliche Gelder nur für Innovation und Klimaschutz geben.
Über diesen grünen Zukunftspakt hinaus benötigen wir klare Rahmenbedingungen und Planungssicherheit auf allen Ebenen unseres Staates, um nachhaltigeres Leben und Wirtschaften dauerhaft zu ermöglichen: Von effektivem Klimaschutz vor Ort in den Kommunen, über starke Klimaschutzgesetze auf Landesebene, für eine Energie- und Wärmewende auf Bundesebene bis zum European Green Deal: Wir brauchen als deutlichste Zwischenziele dieser Generationenaufgabe einen wirksamen Preis für CO2 und bis zum Jahr 2030 100 Prozent Strom aus Sonne, Wind & Co. Dieser Transformationsanspruch schützt uns auch vor den unausweichlichen Folgen der Erderhitzung: Hitze, Dürre, Überschwemmungen, Flucht. Darüber hinaus muss jetzt in die Anpassung an die Folgen der Erderhitzung investiert werden, indem wir unsere Dörfer, Kommunen und Städte klimafest und klimagerecht gestalten.
Letztendlich ist Klimaschutz gelebte Generationengerechtigkeit. Vielleicht kennen Sie das handgemalte Plakat von den Grünen, entstanden zur Bundestagswahl 1983, auf dem steht “Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt”. Dieses Verantwortungsbewusstsein treibt die grüne Partei und mich persönlich bis heute an. Es bringt nichts, auf andere zu warten oder auf andere zu zeigen. Wir dürfen die nachfolgenden Generationen aus dem Bewusstsein über die Größe und Dringlichkeit der Klimakrise nicht vor vollendete unumkehrbare Tatsachen stellen. Es geht um unsere Zukunft und die unserer Kinder und Enkelkinder. Dieses langfristige Verantwortungsbewusstsein muss zur Grundlage politischer Entscheidungen werden – wissenschaftlich untermauert und mit wirksamen Rahmenbedingungen für nachhaltiges Leben und Wirtschaften – auch während Corona, denn wir müssen jede Krise bekämpfen.
Gemeinsam machen, nicht meckern
Die Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen und wird uns noch lange begleiten. Wir lernen gerade, mit dem Virus zu leben. Ich bin überzeugt, dass wir das in Deutschland mit transparentem Krisenmanagement, konsequenten Aktionsplänen und faktenbasierten Entscheidungen, schaffen werden. Wir müssen weiterhin solidarisch sein, global denken, und diejenigen Menschen stärker in den Blick nehmen, die bisher nicht im Fokus standen oder keine Kraft hatten laut zu sein. All das definiert auch unseren Umgang mit der Klimakrise: orientiert an den harten Fakten und unseren verbindlichen Klimazielen, gemeinsam und demokratisch die Auswirkungen für nachfolgenden Generationen fest im Blick. Das Gute bei all den Herausforderungen unserer Zeit: Es gibt vielversprechende Lösungen und Ideen und viele, die anpacken!