Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

Rücktrittsforderung nach Missbrauchsskandal

Offener Brief an Prälat Lorenz Wolf

19. Februar 2022 in Im Parlament |

Im Zuge des Gutachtens der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl zum Umgang Bistumsverantwortlicher mit Fällen sexuellen Missbrauchs minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker sowie hauptamtliche Bedienstete im Bereich der Erzdiözese München und Freising von 1945 bis 2019 haben die Fraktionsvorsitzenden der grünen Landtagsfraktion, Katharina Schulze und Ludwig Hartmann, den Prälat Herrn Lorenz Wolf in einem Offenen Brief (PDF) zu einem vollumfänglichen Rücktritt von seinen öffentlichen Ämtern aufgefordert.

Der offene Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Dr. Wolf,

anlässlich der Publikation des jüngsten Gutachtens der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl zum Umgang Bistumsverantwortlicher mit Vorfällen sexualisierter Gewalt in der Erzdiözese München und Freising und der darin erhobenen, schwerwiegenden Vorwürfe gegen Ihre Person, fordern wir Sie als Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN im Bayerischen Landtag zum sofortigen Rücktritt von Ihren öffentlichen Ämtern und Mandaten auf.

Die gutachterliche Gesamtbewertung legt nahe, dass Ihr Agieren als zuständiger Gerichtsvikar im Erzbistum München und Freising im Zusammenhang mit insgesamt zwölf Fällen sexuellen Missbrauchs „Anlass zur Kritik“ gibt. Konkret wird Ihnen vorgeworfen, dass Sie bei entsprechenden Verdachtsfällen innerhalb des Bistums „nur sehr vereinzelt „kirchenrechtliche Untersuchungen eingeleitet haben, dass Sie durch eine „klerikerfreundliche Haltung“in Kombination mit einer »skeptischen Grundhaltung« gegenüber Opfern aufgefallen sind, dass Sie Taten „bagatellisierten“ und auffällig gewordene Priester „vor Maßnahmen bewahrt“ haben und Befragungen Beschuldigter „in suggestiver Weise hilfreich für den Priester“gestaltet haben.

Ungeachtet der Tatsache,dass die gegen Sie erhobenen Anschuldigungen auf intensiver Akteneinsicht und der Befragung Betroffener basieren, weisen Sie diese schlicht als „teils unwahr, teils tendenziös, teils spekulativ, teils voreingenommen oder willkürlich selektiv“ zurück und zweifeln insgesamt die Legitimität des Gutachtens an. Zudem bedauern wir es, dass Sie als einziger der noch lebenden Bistumsverantwortlichen bislang keine inhaltliche Stellungnahme zu dem gegen Sie erhobenen „(Anfangs-)Verdacht“ abgegeben haben.

Auch die von Ihnen verlesene öffentliche Stellungnahme in eigener Sache im Rahmen des Livestreams der BR-Rundfunkratssitzung vom 3.Februar 2022 zielt nicht auf Sacheinlassung oder inhaltliche Erwiderung ab. Zu Ihrer Rolle im Rundfunkrat oder dem mehrfach geforderten Rücktritt von der Führungsposition in diesem wichtigen Gremium, wozu wir Sie mit Schreiben vom 25. Januar 2022 bereits aufgefordert haben, schweigen Sie.

In Anbetracht Ihrer einflussreichen Stellung innerhalb der Diözesanverwaltung und der Vielzahl und Schwere der Ihnen zu Last gelegten Vorwürfe, erachten wir es als zwingend notwendig, dass Sie umgehend und vollumfänglich persönliche Konsequenzen ziehen. Diesbezüglich sehen wir keine gemeinsame Grundlage für eine weiterhin funktionierende und vertrauensvolle Zusammenarbeit im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks, im Beirat der Akademie für Politische Bildung Tutzing, im Stiftungsrat der Kirchlichen Stiftung Katholische Bildungsstätten für Sozialberufe in Bayern, im Kuratorium der Hochschule für Philosophie, München, im Landesplanungsbeirat des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, im Stiftungskuratorium der Stiftung Medienpädagogik Bayern und im Vorstand der Stiftung Obdachlosenhilfe Bayern.

Wir halten nicht nur ein „Ruhen lassen“,sondern Ihren dauerhaften Rückzug aus diesen Gremien für geboten.