Pressemitteilung
Schutzschild gegen Fake-News
Desinformation und andere strategische Instrumente zur Beeinflussung der Öffentlichkeit/öffentlichen Meinung werden zunehmend zur Schwächung und Destabilisierung der Demokratie eingesetzt. Sie zersetzen das Vertrauen in Staat, Wissenschaft und Medien. Sicherheitsexpert*innen ordnen Desinformation als die größte Gefahr für unsere Welt in den kommenden Jahren ein – das müssen wir ernst nehmen. Mit den rasanten Entwicklungen in Künstlicher Intelligenz wird es immer leichter und billiger, Fake-News zu produzieren und zu verbreiten. Dagegen müssen wir auf zahlreichen Ebenen kämpfen. Es gibt nicht das eine Gegengift – der Schlüssel ist eine Mixtur an umfassenden und vernetzten Gegenmaßnahmen.
Die Europäische Union hat mit der Verabschiedung des Digital Services Act einen wichtigen Meilenstein erreicht, um Maßnahmen gegen die Verbreitung von Desinformation zu ergreifen. In Bayern hat die Staatsregierung mit der Gründung der Allianz gegen Desinformation einen ersten Schritt in die richtige Richtung unternommen. Nur fehlt es an einer konkreten Ausgestaltung dieser Allianz. Mit unserem 5-Punkte-Plan legen wir konstruktive und konkrete Vorschläge vor.
Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende, Landtags-Grüne: „Desinformation und Verschwörungstheorien stellen aktuell eine der größten Gefahren für unsere Demokratie dar. Wenn Menschen falsche Informationen als wahr anerkennen, verlieren sie das Vertrauen in staatliche Institutionen und unabhängige Quellen. Aus Wissensfragen, zum Beispiel wie die Klimakrise abgewehrt werden kann oder wie die öffentliche Gesundheit im Rahmen einer globalen Pandemie geschützt werden kann, werden Glaubensfragen gemacht. Bestimmte extremistische Personen, Netzwerke und ausländische Akteure nutzen gezielt Online-Foren und soziale Medien für die Verbreitung ihrer Inhalte und Positionen. Oft handelt es sich dabei um Falschinformation. Ihr perfides Ziel ist es, diese in der Mitte unserer Gesellschaft zu platzieren und den Zusammenhalt durch Radikalisierung anzugreifen. Die Forschung warnt seit langem davor und die Zivilgesellschaft ist bereits aktiv – jetzt ist es an der Zeit, dass die Staatsregierung handelt und nicht nur blumige Absichtserklärungen macht.“
Benjamin Adjei, digitalpolitischer Sprecher, Landtags-Grüne: „Desinformation und Hass werden leider immer präsenter und gefährden unsere Demokratie – vor allem im Netz. Über teils absichtlich verbreitete Falschinformationen im Netz wird versucht, politische Meinungen und Wahlen zu beeinflussen und die Gesellschaft zu spalten. Die Europäische Union hat mit dem Digital Service Act vorgelegt, nun müssen wir in Bayern unseren Beitrag leisten. Bildung ist Ländersache, hier müssen wir ansetzen: Medienkompetenz in allen Altersgruppen stärken und Menschen zeigen, wie sie Desinformation erkennen. Angriffen auf unsere liberale Gesellschaft treten wir Grüne jeden Tag entschlossen entgegen, ob in den Sozialen Medien oder am Stammtisch.”
Alexa Waschkau, Podcasterin („Hoaxilla“), Kulturwissenschaftlerin und Wissenschaftskommunikatorin: „Desinformation dient als politische Strategie dazu, Menschen in einen bestimmten emotionalen Zustand zu versetzen. Dazu ist es nicht unbedingt erforderlich, sie von den falschen Behauptungen zu überzeugen. Es reicht, Wut, Angst, Misstrauen und Resignation hervorzurufen. Und am Ende steht die Akzeptanz eines auf Desinformation basierenden Weltbildes als „Normalität“ und „Realität“. Menschen in einem solchen Zustand lassen sich wesentlich leichter manipulieren als diejenigen, die bestehende Probleme realistisch einschätzen und sich ihnen mutig stellen können. Deshalb müssen neben Faktenchecks dringend auch vertrauensbildende Maßnahmen umgesetzt werden. Eine Politik der Transparenz, der Fehlerkultur und des konstruktiven, demokratischen Diskurses ist unerlässlich, wenn wir Desinformation wirksam bekämpfen und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung schützen wollen.”
Grüner 5-Punkte-Plan gegen Fake-News und Informationsmanipulation
Wir wollen Nachrichten- und Informationskompetenz, Resilienz und Fact-Checking-Strukturen etablieren und stärken. Wir wollen Netzwerke schaffen und Forschung fördern. Wir wollen Vertrauen in unseren demokratischen Staat stärken, indem er transparenter agiert und kommuniziert. Mit dieser Zielsetzung stellen die Landtags-Grünen eine Reihe von Forderungen:
1. Die Staatsregierung soll eine generationsübergreifende Bildungsstrategie gegen Informationsmanipulation vorlegen. Bildung liegt in der Kompetenz der Bundesländer. Es ist daher Landesaufgabe, den Bildungssektor fit gegen Desinformation und Informationsmanipulation zu machen, in und außerhalb der Schulen. Eine solche Strategie soll folgende Ziele verfolgen: Widerstandskraft stärken, kritisches Denken anregen und Informations- sowie Nachrichtenkompetenz fördern. Die Strategie soll in Zusammenarbeit mit dem Kultus-, Digital-, und Innenministerium sowie wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren erarbeitet werden und folgende Punkte abdecken:
- Verankerung der Medien- Informations- und Nachrichtenkompetenz zur Abwehr von Informationsmanipulation ab Jahrgangsstufe 1 im Fach Heimat und Sachkunde und ab Jahrgangsstufe 5 in einem wöchentlichen, zweistündigen Politik- und Gesellschaftsunterricht.
- Einführung eines verpflichtenden Moduls zum Thema Informationsmanipulation und Medienpädagogik für alle Lehramtsstudierenden sowie eine regelmäßige und evidenzbasierte Fortbildungsverpflichtung für ausgebildete Lehrkräfte.
- Einführung einer “Woche der Nachrichtenkompetenz”, um junge Erwachsene und ältere Generationen zu erreichen. In dieser Woche werden bayernweit verschiedene Sensibilisierungskampagnen und Projekte aufgesetzt, in Zusammenarbeit mit Träger*innen der Erwachsenenbildung, großen bayerischen Arbeitgeber*innen und Arbeitgeber*innenverbänden, Journalist*innenverbänden und Zivilgesellschaft.
- Aufsetzen eines Fonds für Medien und Bildung, welcher für Projekte durch außerschulische Akteur*innen der Nachrichtenbildung zur Verfügung stehen soll.
2. Die Staatsregierung soll eine Task Force zur Bekämpfung von Desinformation und Informationsmanipulation gründen. Unter Federführung des Digitalministeriums soll die Task Force Mitglieder wie das Innen-, Kultus- und Wissenschaftsministerium sowie zivilgesellschaftliche Akteur*innen, der Katastrophenschutz und daran angeknüpfte Organisationen, Fakt-Checking-Agenturen, IT-Sicherheitsexpert*innen, und Bildungsexpert*innen umfassen. Dieses Gremium soll konkrete Schritte erarbeiten, die durch die Staatsregierung umgesetzt werden. Desinformation ist ein Problem, das sich durch all diese verschiedenen Ressorts zieht und nur durch Zusammenwirken effektiv bekämpft werden kann. Das Gremium soll außerdem den Informationsaustausch mit den relevanten Bundesministerien und -behörden als zentrale Kontaktstelle in Bayern übernehmen. Es soll ein kommunikatives Mandat erhalten, um die Öffentlichkeit auch über Informationsmanipulation, die einen ausländischen Ursprung hat, pro- und reaktiv zu informieren.
3. Bayern braucht ein Transparenzgesetz für mehr Open Government. Mit einem Transparenzgesetz wollen wir das Vertrauen in Staat und in demokratische Strukturen stärken und ein umfassendes Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht für alle schaffen. Das Auskunftsrecht für Kommunalpolitiker*innen muss verbessert werden. Die Kommunen müssen bei der Entwicklung von Strategien für ein zeitgemäßes Open- und E-Government unterstützt werden. Denn mehr Transparenz zwischen Bürger*innen und Staat schafft Vertrauen und ist Grundlage für eine resiliente Gesellschaft gegen Desinformation und Informationsmanipulation.
4. Bayern muss Forschung & wissenschaftliche Beobachtung von Desinformation, Informationsmanipulation und Radikalisierung fördern. Schwerpunkt soll hierbei Informationsmanipulation und die Verbreitung von Desinformation in sozialen Netzwerken und auf Online-Plattformen, inklusive sogenannter alternativer Plattformen, sein. Wir fordern, dass die Staatsregierung Forschungsprojekte über Informationsmanipulation in Bayern mit jährlich 1 Mio. Euro unterstützt. Aufgrund des technologischen Fortschritts u.a. im Bereich der generativen Künstlichen Intelligenz weisen Desinformationskampagnen und Informationsmanipulation eine hohe Dynamik auf. Die Hürden zur Erstellung und Verbreitung dieser Fehlinformationen oder hasserfüllten Inhalte werden immer niedriger. Regelmäßige und aktuelle Forschung zu Formen, Funktionen und Wirkungen von Informationsmanipulation – auch regional auf Bayern zugeschnitten – muss unterstützt werden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse dienen einer besseren Aufklärung unserer Strafverfolgungsbehörden sowie der politischen Strategien gegen Desinformation.
5. Lokaljournalismus und Medienpluralismus – die vierte Gewalt als Säule des Fact-Checkings stärken. Nur mit starken, auch regional verankerten, Medien kann eine ausgewogene Berichterstattung, effektives Fact-Checking und Debunking wirklich stattfinden. Wir brauchen Journalist*innen und Medienschaffende, die Desinformationskampagnen und Informationsmanipulation konsequent entlarven. Als sogenannte vierte Gewalt verdienen Medien und Medienschaffende breite Unterstützung, damit sie die nötige Freiheit, die nötigen Ressourcen und die nötige Sicherheit haben, ihre Aufgabe zu erfüllen. Pauschalangriffen auf „die Medien“ und Angriffen auf Journalist*innen treten wir klar entgegen.
- Angebote zur Aufklärung von Desinformation und Fact-Checking sind äußerst wertvoll und werden weiterhin an Bedeutung gewinnen. Daher müssen Medienhäuser diese noch weiter ausbauen können.
- Wir fordern eine Reform des Bayerischen Mediengesetzes, die sicherstellt, dass jedes in Bayern verbreitete Rundfunkprogramm durch ein ausgewogenes Programm für Meinungs- und Informationsvielfalt sorgt. Die Programmgrundsätze sollen um die Verteidigung der Grundsätze unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung ergänzt werden.
- Wir wollen, dass renommierte Ausbildungsorte wie beispielsweise die Deutsche Journalistenschule stärker gefördert und die Ausbildungsanstrengungen unserer Medienhäuser von der Staatsregierung honoriert werden.