Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

Meinung

Jamaika gescheitert: Was nun?

24. November 2017 in Unterwegs |

Wenn diese Sondierungen auf Bundesebene eins gezeigt haben, dann das: Auf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann man sich verlassen. Auf die Werbeshow FDP nicht. 

Ich weiß nicht, was Ihnen durch den Kopf ging, als Sie gehört haben, dass die FDP die Flucht in den Sondierungsgesprächen ergriffen hat. Ich dachte mir nur: WTF?! Es stand kurz vor der Einigung und dann so ein langgeplanter Stunt von der FDP. Passt zwar zur Lindnershow, ist aber kein verantwortungsvolles Handeln.

Wenn ich eins nicht leiden kann, dann ist es Verantwortungslosigkeit. Bis heute konnte mir keiner erklären, welche Kompromisse die FDP gemacht hat und warum dann doch #bedenkenfirst angesagt war. Eine Chance wurde vertan, das hat die FDP zunichte gemacht.

Und das sage ich, obwohl Jamaika jetzt auch nicht meine oberste Priorität war. Ich habe Wahlkampf für starke GRÜNE gemacht. Ich bin durch ganz Bayern gefahren, habe an Türen geklingtelt und Flyer verteilt für Klimaschutz, Bildung und Digitalisierung, eine humane und geordnete Flüchtlingspolitik, moderne soziale Sicherheit und eine wertebasierte Außenpolitik. Doch das ist eben das Wesen einer Demokratie: Am Ende entscheiden die Bürger*innen. Und nachdem sich die SPD am Wahlabend sofort in die Opposition begeben hat, war klar, dass wir GRÜNE ernsthaft und verantwortungsvoll in Gespräche gehen. Natürlich habe ich mit großer Sorge und Gespanntheit das Geschehen in Berlin mitverfolgt. Klar können wir mit 8,9% in der Wahl nicht 100% unserer wichtigen Inhalte umsetzen. Und natürlich muss man auch nicht alles mitmachen, was die anderen einem vorschlagen. Wie bei allem im Leben kommt es dann auch hier auf die richtige Balance an.

Die richtige Balance hat unser Verhandlungsteam gefunden. Was die vierzehn Grünen und die Mitarbeiter*innen geleistet haben, ist der Wahnsinn! Sondieren mit den anderen Parteien, Kommunikation nach außen und in die Partei hinein, um Lösungen ringen, buchstäblich bis an die Schmerzgrenze gehen, die Angriffe der Pöbler aus der CSU parieren und dabei immer professionell bleiben – toll, toll, toll! Ich habe mich als grünes Mitglied sehr gut informiert und vertreten gefühlt. Liebe Sondierungsgruppe, ihr habt einen tollen Job gemacht! Kompromissbereit wo wir sein konnten und klar, wo es sein musste.

Ich freu mich, morgen alle auf dem Parteitag zu sehen und auch persönlich Danke zu sagen. Und ich freu mich, mit vielen GRÜNEN darüber zu sprechen, wie es jetzt weitergeht. Ich hoffe, dass es eine zukunftsgerichtete Debatte wird, denn so langsam hängt selbst mir als Politiknerd die Vergangenheitsbewältigung ein bisschen zu den Ohren raus.

Wir haben jetzt eine Situation, die schon crazy ist: Die FDP will nicht regieren, SPD nicht reagieren oder nur so halb (je nachdem wen man fragt), die Linke will auch nicht und die AfD möchte ich nie regieren sehen. Nach meinem Verständnis macht man doch eigentlich Politik, um nicht nur aus der Opposition klug daherzureden, sondern aktiv selbst gestalten zu können, aber gut, das muss jede Partei für sich selbst entscheiden.

Wie geht es jetzt weiter? Natürlich würden Neuwahlen für uns als Partei super anstrengend sein – von der Organisation bis hin zur Finanzierung. Vor allem für uns in Bayern, haben wir doch noch das Volksbegehren gegen den Flächenfraß laufen und im Herbst 2018 dann die Landtagswahl, bei der wir die nächste Revolution durchführen möchten.

Aber – wenn ich was an meiner Partei großartig finde – dann ist es dieser unbedingte Kampfeswillen für eine bessere Welt. Wie viele Schlachten haben wir schon gewonnen, obwohl wir weniger Geld und vermeintlich übermächtige Gegner hatten? Wir in München zum Beispiel haben allen Unkenrufen zum Trotz die Bürgerbegehren gegen die 3. Startbahn und NOlympia gewonnen. Wie? Weil wir ganz großartige Menschen in unserer Partei haben. Die in ihrer Freizeit Plakate kleben, Veranstaltungen organisieren, diskutieren, überzeugen, argumentieren und dabei (meistens) den Spaß nicht verlieren. Das ist ein unglaublicher Schatz und deswegen würden wir auch einen erneuten Bundestagswahlkampf gut meistern.

Falls es zu einer Minderheitenregierung kommt, habe ich das Vertrauen in unsere Bundestagsfraktion und den Bundesvorstand, dass sie uns weise durch die Jahre führen. Und falls die SPD doch noch ihrer staatspolitischen Verantwortung nachkommt, macht unsere Bundestagsfraktion gute Oppositionsarbeit. Also: Egal was kommt, ich habe das beruhigende Gefühl, dass wir GRÜNE gut aufgestellt sind. Wir sind klar in den Inhalten, wir haben konkrete Ideen wie wir unser Land nachhaltiger, gerechter und weltoffener machen wollen, sind uns unserer Verantwortung und Stärke bewusst. Und ganz wichtig: Wir sind wirklich die einzige Partei, die Klimaschutz, Umweltschutz und Weltoffenheit wahrhaftig als Priorität sieht. Das haben die Sondierungen eindeutig gezeigt.

Es gilt also auch nach der Wahl: Zukunft wird aus Mut gemacht! Und Regierungsbildung auch.