Katharina Schulze

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag

Jahresrückblick 2015

Was für ein Jahr!

22. Dezember 2015 in Im Parlament |

Und schon wieder ist ein Jahr vorbei… es war echt intensiv! Anfang des Jahres habe ich mich stark mit dem islamistischen Terrorismus beschäftigt und ein umfangreiches Maßnahmenpaket entwickelt – das Thema bleibt ja leider aktuell. Auch der Rechtsextremismus hat mich 2015 begleitet, von Anfragen, Anträgen, Debatten im Plenum bis hin zur „Rechte Gewalt in Bayern“-Tour – der Anstieg von Rassismus und Rechtsextremismus kann einen ja auch nicht kalt lassen. Durch den G7-Gipfel im Sommer war ich oft im schönen Oberland. Daneben Veranstaltungen, Plenardebatten, Demos, Aktionen, Besuche von Firmen, Vereinen und Verbänden – und die erste Hälfte des Jahres war ich ja noch Vorsitzende der Münchner Grünen. Beim Jahresrückblick-Schreiben fällt einem erst auf, was man alles so gemacht hat. Langweilig war mir auf jeden Fall nicht! Ich habe viele interessante Menschen kennengelernt, einige Schlachten geschlagen und viel gelernt. Danke an alle, die mich begleitet haben und ich freue mich schon auf 2016! Hier kommt jetzt aber erst mal ein kurzer Rückblick auf 2015.

Nach Paris: Was tun gegen Angriffe auf unsere Demokratie?

Nach den Anschlägen von Paris auf die Redaktion von Charlie Hebdo forderte die CSU mal wieder reflexhaft Strafverschärfung und die anlasslose Vorratsdatenspeicherung anstatt sich mit den Ursachen zu beschäftigen. Die Vorratsdatenspeicherung in Frankreich konnte den Anschlag nicht verhindern. Das kann also nicht die richtige Antwort auf die Bedrohung sein. Wir wollen als Konsequenz dieser verabscheuungswürdigen Tat und vor dem Hintergrund gewaltbereiten Islamismus in Deutschland mehr Geld für die Präventionsarbeit, eine fachliche Unterstützung der Sicherheitsbehörden und ein Deradikalisierungsprogramm für Bayern. All das habe ich in unserem Sicherheitspapier gefordert. Die CSU hielt das im Februar für unnötig und spottete lieber über „grünen Multi-Kulti-Wahn“.

All die Terroranschläge, beispielsweise in Beirut, auf dem Sinai und in Paris, sind ein feiger und gezielter Angriff auf unsere offene, freie und demokratische Gesellschaft. Die Politik braucht darauf Antworten. Wir Grüne stehten klar zu mehr Sicherheit für die Menschen in Bayern, aber ohne in Panik zu verfallen oder uns einschüchtern zu lassen. Unsere Aufgabe ist es, mit den Mitteln des Rechtsstaats für größtmögliche Sicherheit zu sorgen, Bedrohungen abzuwehren und gleichzeitig die Grundrechte zu schützen, ohne die Freiheit so weit einzuschränken, dass sie kaum noch erkennbar ist. Aus diesem Grund wird sich die Grüne Landtagsfraktion mit genau diesem Spannungsfeld auf der Winterklausur im Januar 2016  intensiv auseinandersetzen. Ich werde darüber natürlich auch auf meiner Homepage und auf Youtube berichten.

G7-Gipfel in Bayern: teures, übertriebenes Medienspektakel

Bayern war Anfang Juni Schauplatz eines gigantischen Medienspektakels: In Elmau haben die Staatschefs der G7-Staaten über aktuelle internationale Fragen diskutiert. Die Gipfelvorbereitungen begleiten wir schon seit mehr als einem Jahr kritisch im Landtag und fordern endlich völlige Kostentransparenz: Bisher war davon die Rede, dass die beiden Tage 130 Millionen Euro kosten sollen. Der Bund der Steuerzahler hat dagegen eine Rechung von über 300 Millionen Euro präsentiert. Immer noch sind nicht alle Zahlen auf dem Tisch.

Die bunte Demonstration in München und die Kundgebungen und Demonstrationen in Garmisch haben gezeigt, dass es keine fünf Einsatzkräfte pro Demo-TeilnehmerIn braucht, um öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. In München sind 40.000 Menschen, darunter viele Grüne, auf die Straße gegangen und haben folgende Forderungen gestellt: TTIP stoppen! Klima retten! Armut bekämpfen! Mein Eindruck von den Demos in München und Garmisch.

Weitere innenpolitische Themen: Cannabis & Vermummungsverbot

Die Cannabis-Politik in Deutschland ist gescheitert: Die Verfolgung und juristische Drangsalierung von Konsumierenden muss endlich aufhören. Wir wollen den Cannabis-Eigengebrauch entkriminalisieren und die Angst vor Strafverfolgung nehmen. Wenig überraschend hat die CSU das anders gesehen und unseren Vorschlag abgelehnt. Ich finde: Kiffen ist kein Verbrechen!

Und, liebe CSU: Kreativer Protest ist nicht kriminell! Die CSU hat erst vor ein paar Wochen im Plenum durchgedrückt, dass die Vermummung bei Demonstrationen nicht mehr als Ordnungswidrigkeit sondern als Straftat eingestuft wird. Wir Grünen kritisieren diesen Vorschlag scharf. Wir stehen für eine lebendige Demonstrationskultur anstatt dem Vermummungsverbot. Weiterlesen… 

Gegen Rechts in Bayern: auf der Straße und im Parlament

Der Zulauf zu Pegida, Bagida, und wie sie alle heißen, seit dem letzten Winter beunruhigt mich sehr. Natürlich kam es auch in Bayern zu gut besuchten rassistischen Demonstrationen gegen eine vermeintliche Islamisierung des Abendlandes. Die CSU glaubt weiterhin, dass es Extremismus nur an den Rändern der Gesellschaft gibt und dass in der sogenannten „Mitte“ viele unbescholtene Bürger gemäßigte Ansichten haben. Wie die „Mitte“-Studie der Uni Leipzig zeigt, sind beispielsweise ausländerfeindliche und antisemitische Einstellungen schon längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen – leider besonders häufig in Bayern. Ich toure durch ganz Bayern, um dieses Thema bekannt zu machen. Weiterlesen…

Weiterhin begreift die CSU nicht, dass Rassismus, Antisemitismus oder andere Formen von menschenfeindlichen Einstellungen tief in unserer Gesellschaft verankert sind und dass es die Aufgabe auch von uns PolitikerInnen ist, dem entgegen zu wirken. Die CSU reduziert diese Erkenntnisse nur auf Probleme der Sicherheit in Bayern. Deshalb hat die CSU auch unseren Antrag auf eine grundlegende Überarbeitung des staatlichen „Handlungskonzept gegen Rechts“ abgelehnt. Weiterlesen…

Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, Körperverletzungen, Einschüchterungsversuche von politischen Gegnern und Nazi-Schmierereien: In den letzten Monaten sind in Bayern zunehmend gewalttätige Aktivitäten von Rechtsextremen zu beobachten. Ein trauriger Trend wird bestätigt: Nazis in Bayern treten selbstbewusster auf – und gewalttätiger. Das zeigen meine vielen Schriftlichen Anfragen an die Regierung. Eine Zusammenfassung mit aktuellen Daten gibt es im Lagebericht Rechte Gewalt.

Sportpolitik:

Das Thema Schwimmfähigkeit erlangt durch die erschreckenden Nachrichten von Ertrunkenen in Flüssen und Seen im Sommer 2015 wieder hohe Aktualität. Nicht erst seit diesem Sommer gibt es Handlungsbedarf. Schwimmen zu lehren geht uns alle etwas an, auch der Staat ist hier in der Pflicht. Leider haben das unsere KollegInnen von der CSU im Innenausschuss nicht so gesehen. Laut Minderheitenvotum kann die Opposition zweimal pro Kalenderjahr Anhörungen gegen die Stimmen der Mehrheit durchsetzen. Diese Option haben wir 2015 schon genutzt, deshalb kann ich erst 2016 wieder aktiv werden und das Thema Schwimmfähigkeit erneut in den Ausschuss einbringen.

Alter Hut Dritte Startbahn: Protest steht, CSU streitet

Seit dem Frühjahr beschäftigt mich auch als Sprecherin des Bündnisses „München gegen die 3. Startbahn“ wieder die Debatte um die Dritte Startbahn am Münchner Flughafen: Die CSU will den Bürgerentscheid in München umgehen. Angeblich wird versucht, die Flughafengesellschaft in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln und möglicherweise eine bayernweite Volksbefragung (diese Befragungen halten wir für verfassungswidrig) durchzuführungen.

In den letzten Wochen ist klar geworden, dass die CSU bei diesem Thema intern zerstritten ist. Insofern darf man gespannt sein. Allen BefürworterInnen der Dritten Start- und Landebahn am Münchner Flughafen kann ich nur zurufen: Wir kennen eure Tricks und unser breite Bündnis aus StartbahngegnerInnen ist bereit, wieder aktiv zu werden. Denn zwei Bahnen reichen!

Dramatische Endsolidarisierung seit dem Sommer

Natürlich bewegte auch mich die Ankunft der vielen Flüchtlinge Anfang September. Ich war selbstverständlich einige Tage am Hauptbahnhof vor Ort und habe mit angepackt. Die Debatte wird schriller; mehr denn je sehe ich uns Grüne in der Pflicht, hier Ruhe, Struktur und konkrete Handlungsvorschläge in die Diskussion einzubringen. Im Landtag wird mittlerweile in jeder Plenarsitzung deutlich, dass Grüne und CSU in der Asylpolitik Welten trennen.

Aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen erleben wir in Europa eine dramatische Entsolidarisierung: Anstatt die Herausforderungen entschlossen und gemeinsam anzupacken, werden die Probleme in das jeweils nächste Land verlagert. Ein historischer Moment, die größte Flüchtlingsbewegung seit dem zweiten Weltkrieg – und das Handling der Regierenden ist beschämend. Wir brauchen in Deutschland und Europa mehr gemeinsame Verantwortlichkeit, menschenwürdige Lösungen und gewollte Integration.

Meine persönlichen Meilensteine:

Endlich auf Youtube!

Es ist ein Herzensanliegen von mir, zu zeigen, dass „die Politik“ bunt sein kann, dass „dort“ Dinge entschieden werden, die uns alle angehen und dass der Bayerische Landtag kein abgeschotteter Ort ist, wovon man nichts mitbekommen darf. Ich finde es wichtig, dass jedeR die Möglichkeit bekommt sich über das politische Geschehen zu informieren und mitbekommen kann, was wir Grüne an Ideen für ein besseres Bayern haben! Mehrere Studien haben gezeigt, dass gerade „die Jugend“ nicht weniger an Politik interessiert ist, sondern nur andere Formen, online und unterwegs, von Information und Partizipation nutzen.

Deswegen bin ich seit Juni unter die YouTuberInnen gegangen! In einem Video-Blog werde ich in der Reihe Katha Aktuell über die bayerische Politik und im Landtags ABC über die Funktionsweise des Landtags berichten. Hier geht’s zu meinem Youtube-Kanal. Er darf gerne abonniert und weiterverbreitet werden.

Abschied als Vorsitzende der Münchner Grünen

Im Mai 2015 habe ich Servus gesagt. Servus zu fast fünf Jahren Vorsitzenden des tollsten Grünen Kreisverbandes! Wahnsinn, was wir in der Zeit alles gemacht haben , wie viel Zeit und Energie mir die Münchner Grünen gekostet aber auch gegeben haben. Es war eine großartige Zeit. Danke!

Und jetzt? Ausblick auf 2016

Das kommende Jahr beginnt für mich mit der grünen Fraktionsklausur in München, bei der wir uns u.a. auch mit den innenpolitischen Folgen der Pariser Anschläge beschäftigen. Unsere Klage gegen die „Volksbefragung“ wird entschieden. Die CSU wird sich irgendwann über ihre Position zur Dritten Startbahn einig werden. Im März ist schon die Halbzeit zwischen den Landtagswahlen. Unglaublich, wie schnell die letzten knapp 2,5 Jahre vorbeigegangen sind.

2016 beginnt wie 2015 endet – mit vielen Ideen, Herausforderungen und viel zu tun. Ich gönne mir nach diesem wahrlich anstrengenden Jahr ein paar Tage Ruhe – und werde dann 2016 wieder voller Elan für grüne Themen streiten. Ich wünsche Ihnen und Euch schöne Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr!